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Falsche Nähe

Falsche Nähe

Titel: Falsche Nähe
Autoren: Alexandra Kui
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als dich. Denn im Gegensatz zu dir hat sie sich aufrichtig für mich interessiert, mich wahrgenommen. Gib zu, du hättest mich doch außerhalb des Treppenhauses und unseres Apartments überhaupt nicht erkannt. Dass ich nur ein Statist für dich war, ist mir spätestens dann klar geworden, als du versucht hast, mir die Bude abzuluchsen. Für Arne.
    Dir ist doch klar, dass er dran glauben muss? Du hast diese bescheuerte Metapher mit den Reitern der Apokalypse gewählt und ich habe das Beste daraus zu machen versucht. Jetzt werden wir uns brav ans Protokoll halten. Zwei Opfer haben wir. Zwei weitere stehen schon fest. Er und deine Schwester. Sie hätte sich nicht in unsere Angelegenheiten einmischen sollen. Da sind wir doch einer Meinung
    Wenn du darüber hinweg bist – und dass du über Tragödien hinwegkommen kannst, hast du ja bereits bewiesen –, fangen wir neu an.
    Mallorca, Ibiza, was hältst du davon? Es wird Zeit, diese Insel-Phobie abzuhaken, Inseln sind etwas Wunderbares. Wenn man auf einer aufgewachsen ist, wie du und ich, ist man geneigt, nur die Nachteile zu sehen.

Gixxer13
    D u willst wissen, warum?
    Ach, Audrey – wie oft soll ich dir noch sagen, dass ich dich liebe.
    Ob wir uns kennen?
    Das fragst du nicht im Ernst. Wir sind Freunde. Abgesehen davon kennen wir uns länger, als du dir vorstellen kannst.
    Also von früher, fragst du?
    Ja, genau. Von ganz, ganz früher. Im Schulchor von Frau Klein sind wir uns begegnet. Weißt du noch, die blickdichten Strümpfe, die sie immer trug? Ganz in Lila. So etwas Hässliches. Ihre Stimme hatte Ähnlichkeit mit Kermit dem Frosch, weil sie beim Singen etwas mit ihrem Kehlkopf anstellte, das auf keinen Fall gesund sein konnte. Vermutlich hast du sie auch vergessen, so wie du jeden vergisst, der nicht von Nutzen für dich ist. Manchmal durfte ich deine Bücher tragen. Ich habe dir mit Mathe weitergeholfen – warum sind Mädchen bloß immer zu blöd für Naturwissenschaften? – und ich habe darauf verzichtet, das Gymnasium auf dem Festland zu besuchen, damit ich bei deinem alten Herrn in die Lehre gehen kann. Fällt endlich der Groschen? Es ist nicht so, dass ich dir nicht schon früher erzählt hätte, woher ich komme, aber du hast mich nie danach gefragt, wenn wir gemütlich beim DVD-Abend zusammensaßen. Laura und ich. Du und deine Schwester. Dein Stolz darauf, über andere Leute so gut Bescheid zu wissen – lächerlich. Den größten Teil der Menschen um dich herum hast du schlichtweg übersehen. Aber damit ist jetzt Schluss, ich bringe es dir bei. Ich übersehe niemals irgendwen.
    Außer deinen Vater, damals, als ich mit deinem Höschen in der Hand unter der Hebebühne stand. Ja, ich habe daran geleckt wie an einem Eis am Stiel – na und? Ich habe eben diese Schwäche für benutzte Unterwäsche. Ein kleiner Fetisch ist doch in Ordnung, denkst du nicht? Das macht einen nicht gleich zu einem Perversen. Oder gar zu einem Verbrecher. Ich war einfach bloß ein Junge, kapiert? Unbeholfen, pubertär, verliebt? Kein Grund, mich wie einen Haufen Scheiße zu behandeln. Wer hätte gedacht, dass dein Vater so ausrasten und damit gleich auch noch deine Mutter auf den Plan rufen würde. Die Freude, ihnen die Schädel einzuschlagen. Ihre verdutzten Gesichter. Famost last words: He???
    Jetzt fang nicht wieder mit deiner Schwester an. Übrigens – auch ihre Slips haben das gewisse Etwas.
    Oh, oh, versucht nicht, mich zu provozieren, das wirst du bereuen. Keine Zicken. Lass mich das hier erst zu Ende tippen. Über Noa reden wir später. Wenn ich mit ihr fertig bin.
    Noas Augenlider sind schwerer als Blei. Keine Kraft, sie zu heben. Sie ist wach, aber blind. Ihr Kopf fühlt sich seltsam an, als wäre er gefüllt mit einer heißen, öligen Flüssigkeit, die in siedende Aufruhr gerät, sobald sie auch nur daran denkt, sich zu rühren, dann schwappt sie gegen Stirn und Schläfen und hinterlässt einen Schmerz von grausamer Intensität. Als sie aufstöhnt, merkt Noa, dass ihr Mund mit einem Knebel versehen ist, worauf sie zu schreien beginnt, ein Automatismus, die Weigerung ihres eingetrübten Bewusstseins, das Unfassbare als Gegebenheit zu akzeptieren. Es kommt nur ein dumpfes Keuchen heraus und ruft die Angst vor einem langsamen, qualvollen Erstickungstod hervor: Was, wenn ich husten muss, denkt Noa, und prompt spürt sie, wie ihre Bronchien, sich zu einem Krampf zusammenziehen.
    Wenn sie jetzt in Panik gerät, ist alles aus. Das darf nicht passieren. So leicht darf sie es
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