Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Falsche Brüder

Falsche Brüder

Titel: Falsche Brüder
Autoren: Alexander Kröger
Vom Netzwerk:
Sinn…“, wiederholte er. „Du meinst, weil
wir laufen wie die Hasen? Das, Junge, muss sich ändern, wird
sich ändern – wenn alle munter werden. Immerhin, seit die
Schufte merken, dass Widerstand da ist, rücken sie wesentlich
langsamer vor, noch langsamer als vordem.“
„Was ist das schon für ein Widerstand!“ Ich klopfte verächtlich
an mein doppelläufiges Jagdgewehr.
Hugh lächelte verschmitzt „Warte ab“, sagte er. „Und mit
denen hier sieht’s schon ein wenig anders aus!“ Er strich mit
der Linken über die Rohre, die hinter seiner
Hüfte
hervorlugten und die zu drei gleichartigen Dingen gehörten, die
Hugh mit einer Schnur zusammengebunden hatte und über dem
Rücken trug. Die Gegenstände hatten doppelkegelige Köpfe und
schienen schwer zu sein. Der Strick schnitt ordentlich in Hughs
Schulter.
Jenseits des Waldes zog eine kleine Fahrzeugkolonne auf.
Entfernt rief jemand: „Sammeln!“
Langsam kam Bewegung in die Lagernden.
Die Hundertschaftskommandeure standen auf den
Ladeflächen der Transportfahrzeuge. Meine Gruppe sammelte
sich am Fahrzeug Nummer drei, gleichgültig die Erfahrenen,
noch unter dem frischen Eindruck des Angriffs die Neulinge –
die in der Überzahl.
Am Spriegelgerüst hatte man eine großmaßstäbliche Karte
des Gebiets, in dem wir uns befanden, befestigt, und der Offizier
begann zu erläutern, wie der weitere Rückzug taktisch so
vollzogen werden sollte, dass der Gegner, der auf einer Front
von etwa fünfzehn Kilometern vorrückte, von besiedelten
Gebieten und der Straße Utsjoki-Inari weiterhin abgelenkt
werden würde. Die ständige Gegnerberührung der letzten Tage
hätte gezeigt, dass ein solches Vorgehen nicht hoffnungslos zu
sein brauchte. „Das Ziel der Angreifer ist offenbar Inari“, er
zeigte die Siedlung im Süden der Karte, einen Ort unter
fünfhundert Einwohnern, „hier sind wir im Augenblick, und hier
entlang wollen wir sie haben. Freilich, wir müssen mit weiteren
Verlusten rechnen. Aber ihr begreift, dass es um mehr geht.“
Er erläuterte konkrete Handlungen, die bei diesem und jenem
Verhalten des Gegners eingeleitet werden sollten, und dann
wurde die Mittagsmahlzeit ausgegeben.
Die Erläuterungen wurden von den Kämpfern widerspruchslos
aufgenommen. Doch ein Blick in die Gesichter hätte jedem
klargemacht, was sie von der Wirksamkeit all dessen, was da
geplant wurde, hielten.
Ich zog mich mit meiner Assiette in den Schatten zurück, saß
neben Hugh, vor mir hockten drei meiner Kameraden, die mit
mir am Vortag zur Truppe gestoßen waren.
„Was aber ist, wenn sie sich nicht beirren lassen?“, fragte
einer, es war jedoch ungewiss, ob er überhaupt eine Antwort
erwartete. Wer von den Kameraden hätte sie ihm auch geben
sollen.
„Wenn wir nur ausreißen, haben sie nicht die geringste
Veranlassung, auf ihr Ziel zu verzichten. Sie müssten in eine
Wut geraten, die sie hinter uns hertreibt, mit dem Willen, uns zu
vernichten.“
„Wenn alles stimmt, was man über sie sagt, haben sie den. Und
immerhin, seit wir vor ihnen her laufen, sollen sie ja langsamer
vorrücken. Auch das ist schon etwas, da bleibt mehr Zeit, die
Bevölkerung zu evakuieren.“
„Und wenn sie nicht alles besetzen?“
Hugh mischte sich in das Gespräch der Neulinge mit großem
Ernst, der im merkwürdigen Gegensatz zu seiner heiteren
Gesamterscheinung stand. „Unser einziger Vorteil ist, dass sie so
langsam sind. Aber was ihnen in die Hände fällt – weiß der
Teufel, ob sie welche haben –, ist erledigt, kaputt oder tot. Nach
ihnen gibt es keine Menschen mehr, Jungs, ich habe es oben in
Leppälä gesehen. Wenn sie leben bleiben, willenlose,
vegetierende Wesen… Und das kann man in diesem langsamen
Tempo mit der ganzen Erde machen, sukzessive, ein Dorf, eine
Stadt. Lass es zehn, fünfzig oder hundert Jahre dauern.
Vielleicht begnügen sie sich mit einem Kontinent.“ Hugh machte
eine Pause. Dann setzte er hinzu: „Dass sie niemanden in ihre
Gewalt bekommen, deshalb sind wir hier. Ich fürchte nur, sie
werden unsere Taktik durchschauen, denn wer von dort anreist“,
er wies mit einem Kopfheben in den hellen Himmel, „den
sollte man nicht unterschätzen.“
Er holte tief Luft. Offenbar überstieg diese lange Rede seine
Norm.
„Eben!“ Ein junger Mann, noch neuer als ich, rief es
unbeherrscht. „Ein eklatantes Missverständnis ist das, die größte
Dummheit, sich ihnen entgegenzustellen. Ihr werdet sehen…“ Er
blickte, nach Bestätigung heischend,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher