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Falsche Brüder

Falsche Brüder

Titel: Falsche Brüder
Autoren: Alexander Kröger
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der auf der Kante aufschlägt: Er begann geneigt
auf der ziemlich ebenen Weidefläche zu rollen, im Kreis zu
rollen, der Mitte des Kreises zugeneigt. Auf diese Art kam er mir
ein Stück entgegen, rollte, eine deutliche Spur ziehend, keine
zwanzig Meter vor mir entlang, ging über in einen kleineren
Kreis, kippte schließlich, wippte einige Male und kam zur Ruhe.
Hugh und einige andere waren heran.
„Vorsicht!“, riet Hugh keuchend. „Wenn sie jetzt schießen, sind
wir unweigerlich hin.“
Ich befand mich noch immer in bester Stimmung, wenn auch
außer Atem. „Nachdem sie derart zentrifugiert wurden?
Zumindest haben sie den Drehwurm!“
Hugh lachte kurz auf. „Man weiß nicht, was sie vertragen“,
sagte er und wiegte den Kopf.
„Macht sie nieder!“, schrie jemand. Gleichzeitig krachte ein
Schuss, die Kugel zerspritzte an der Außenhaut des Diskus.
Eine Folge von Schüssen knatterte auf, Querschläger summten,
zwitscherten.
„Lasst den Quatsch!“, schrie Hugh.
Wie eine Meute stürzten sie vor. Es waren mehr Alte als
Neulinge. Mit Gewehrkolben, Fußtritten, mit Fäusten und
flachen Händen hieben sie auf die Kampfmaschine ein, begleitet
von Flüchen und Wutgeschrei. Ich bemerkte, dass einige weinten.
Der Ausbruch dauerte nicht lange. Mit ohnmächtigem Zorn,
noch einem Tritt, gingen die einen, beschämt ein wenig die
anderen. Niemand machte Vorwürfe. Auch die Vorgesetzten, die
zunächst besorgt herzugeeilt waren, sagten nichts. Einige riefen
mir anerkennende Worte zu.
Hugh sah mich an. Wir hatten uns abseits gehalten, das Ganze
unausgesprochen wie ein schlechtes – oder kein schlechtes? –
Theaterstück betrachtet.
Als sich die Gefährten verstreut hatten, zuckte Hugh mit den
Schultern. „Ein Glück“, sagte er dann, „dass der“, und mit einem
Kopfnicken deutete er auf die Maschine, „anscheinend wirklich
genug hat. Wir wären sonst zwanzig weniger.“
„Und was machen wir – wirklich damit?“, fragte ich.
Noch bevor Hugh antworten konnte, machte er mich mit
einer erneuten Kopfbewegung auf eine Gruppe von Offizieren
aufmerksam, die sich von den Stellungen her näherten. Die
Schärpen, die sie über den Arbeitsanzügen trugen, machten sie
von weitem als Chargierte kenntlich. Jens, Hughs und mein
Hundertschaftsführer befand sich unter ihnen.
In respektvoller Entfernung blieb die Gruppe stehen, noch
hinter Hugh und mir. Es hob dort eine Debatte an.
Wir beide, der Neuling und der Alte, sahen uns an, Hugh
grinste. Eine Weile hörten wir zu, verstanden, weil zu weit
entfernt, nicht alles. Aber offenbar ging es zunächst darum,
warum wohl die Maschine niedergegangen, besser, abgestürzt sei.
Was jedoch mehr bewegte: Was sollte man damit tun, wie sie
behandeln. Es fiel das Stichwort „Expertenkommission“.
Hugh und ich verständigten uns durch einen Blick, gingen dann
langsam in einem Bogen auf die Maschine zu, bestrebt auf die
den Offizieren abgewandte Seite zu gelangen.
Da wurden wir von Jens angerufen. Er kam einige Schritte
auf uns zu. „Was hält euch hier?“, fragte er nicht
eben
freundlich.
„Wache“, log Hugh schlagfertig.
„Aha!“ Jens sah einen Augenblick zu Boden, überlegte. Im
Kriegsgeschäft hatte eben niemand Erfahrung. Wache war
sicher notwendig. Er hatte an so etwas nicht gedacht. Deshalb
wohl fragte er auch nicht weiter, nicht, wer den Befehl – was
eigentlich seine Sache gewesen wäre – dazu gegeben hatte.
„Gut“, sagte er. „Ich werde für Ablösung sorgen – falls“, er wies
in Richtung Front, „uns Gelegenheit dazu bleibt.“
„Eben“, antwortete Hugh. „Wenn wir etwas damit anfangen
wollen, sollten wir wohl nicht zu lange zögern.“
Jens nickte zerstreut, wandte sich wieder seiner Gruppe zu.
Da sagte Hugh obenhin: „Damit ihr euch nicht weiter den
Kopf zerbrecht, wie das Ding hierher kommt: Der Jugendfreund
hier hat es abgeschossen.“
Jens fuhr herum. „Was?“ Er blickte alles andere als geistreich.
„Was heißt, was?“, fragte Hugh, und er schmunzelte.
„Wie – abgeschossen? Willst du mit mir Witze machen?“ Jens
gab seiner Stimme Strenge.
„Angelegt, piff, paff, und da kollerte er herunter. Wie sonst
schießen!“
„Ist das wahr?“ Jens wandte sich nun direkt an mich.
Ich nickte, ein wenig verlegen, ein wenig stolz. „Es könnte
schon sein“, sagte ich. „Ich habe auf die Steuerung geschossen,
auf die Unterseite. Möglich, dass der Absturz damit
zusammenhängt. Sie haben halt nicht damit gerechnet.“
Jens lächelte
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