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Fallera

Fallera

Titel: Fallera
Autoren: Jörg Juretzka
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Asphaltband hochgeheult, das hier oben in einem Wendekreis endete, hielt mit einem Seufzen der Feststellbremse an, und ein unverkennbar ausstaffiertes Aufnahmeteam quoll aus den Türen. Anglerwesten, Baseballkappen, Overalls, fingerlose Handschuhe, Hosengürtel, behängt mit allem möglichen Gebammel, Brillen mit hochklappbarem Sonnenschutz, Lichtmesser, Stoppuhren und was sonst noch an Riemen um den Hals - kurz, die volle Kostümierung. Ohne viel zu reden, machten sie sich ans Auspacken ihres sonstigen Geräts.
    Als Letzte kraxelten, die Röcke geschürzt, zwei Sekretärinnen - Modell >3-Wetter-Taft<, aber holla! - aus der Kabine des Hubschraubers, und zwei Rucke gingen durch die beiden untätigen männlichen Gruppierungen. Zwei Rucke aufeinander zu. Wir, Behinderte wie Kriminelle gleichermaßen, machten einen Schritt vor, Richtung geschürzter Röcke, knapp sitzender Kostüme und weiterfester Langhaarfrisuren, und sie, die staatlich Bediensteten Schutzbeauftragten, ihre Reihen gefüllt durch die uniformierten Schließer unter Leitung von Kommissar Hufschmidt, machten ebenfalls einen Schritt nach vorn, in unsere Richtung. Das Gleiche noch mal, und wir kamen in die unkomfortable Nähe zueinander, die man für gewöhnlich als >Armlänge< bezeichnet.
    Eine gewisse nicht von der Hand zu weisende Spannung lag in der Luft, als der Minister endlich, umschwärmt von einem Kameramann, einem Toningenieur und einer unter ihren Füßen herumwuselnden Meute von Assistenten, das von den beiden Haarspray-Models mit bezauberndem Ungeschick aufgebaute kleine Stehpult erklomm und auf ein Zeichen des Fernsehteams wartete.
    »Und warum«, hatte ich die in meinem Beruf häufig als allererste anstehende Frage, nämlich: Warum machen die Bullen den Job nicht? etwas umformuliert, »warum schicken Sie nicht einen von Ihren Leuten mit? Ihn hier zum Beispiel?« Und hatte mit dem Kinn auf Kommissar Hufschmidt gezeigt.
    Der Kameramann wuchtete sich sein Arbeitsgerät auf die Schulter, jemand knipste den seitlich daran befestigten Scheinwerfer ein, der Toningenieur setzte sich Kopfhörer auf und hielt eine Schaumstoffmortadella an einem Schwengel in die Höhe, beide nickten, und jemand sagte tatsächlich: »Action!«
    Der Minister räusperte sich, begrüßte uns, auch im Namen von ... und begann mit einer Danksagung an die beteiligten Bundesländer, was ihm, in Anbetracht auch der vielen zusammengesetzten Namen (Nordrhein-Westfalen, Mecklenburg-Vorpommern usw.) eine hübsche Spanne Redezeit ohne Überanstrengung der Ingenuität einbrachte.
    »Ihn? Sehen Sie ihn sich doch an!« Menden war herumgefahren, und wir beide hatten Hufschmidt angestarrt, der bis dahin mit den Händen hinter dem Rücken bequem auf seinen Schuhsohlen vor- und zurückgeschaukelt war, nun aber, überrascht durch die plötzliche Aufmerksamkeit, das Schaukeln einstellte. »Zwei Minuten nichts zu tun, und was macht er? Nimmt die Hände auf den Rücken, weil er sie während der Jahre im Streifendienst nicht in die Taschen stecken durfte, und fängt an zu wippen.«
    Die Monotonie der folgenden Aufzählung der beteiligten Ministerien, Haftanstalten, Behinderteneinrichtungen nebst ihren Direktoren oder sonstigen Vorstände brachte eine gewisse Entspannung der Lage mit sich. Will sagen, wir schielten noch, aber wir drängelten nicht mehr. Der eine oder andere gähnte. Zwei hinter mir berieten halblaut unsere Chancen, den Hubschrauber zu kapern. Und, natürlich, die beiden Sekretärinnen als Geiseln zu nehmen. Und dann abzuhauen.
    Abhauen, das ewige, ewige, ewige Thema.
    Hufschmidt stand inmitten der Uniformierten, Hände auf dem Rücken wie die meisten seiner Kollegen, und wippte sachte vor und zurück. Ich nickte ihm freundlich zu, und nach einem Moment hörte das Wippen auf. Dann kamen die Hände nach vorn. Verschränkten sich vor der Brust.
    »Und ich muss noch nicht mal hinsehen«, war Menden fortgefahren, zurück an seinem Fenster, mit einer Hand gegen den Rahmen gestützt, »um zu wissen, dass er jetzt die Arme vor der Brust verschränkt hat.«
    Damals wie jetzt kamen die Arme herunter und hingen anschließend etwas ratlos rechts und links von den Schultern wie Socken von der Leine.
    »Ich kann in eine fremde Stadt, in ein fremdes Land kommen, irgendwo steht ein Typ in dieser Haltung herum, und ich weiß sofort und mit Bestimmtheit, ganz gleich, was er anhat, und wenn er nackt ist: Polizist.«
    Und Menden hatte Recht. Je mehr man sich mit dem Thema Strafverfolgung
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