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Fallera

Fallera

Titel: Fallera
Autoren: Jörg Juretzka
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Tode kam.

Kapitel Drei
    »Ein Großteil der Abstürze und sonstigen  alpinistischen Unfälle
    sind eine   direkte Folge  des Leichtsinns
    der so genannten >Turnschuh-Touristen<.«
    DEUTSCHE BERGWACHT
     
    »Hör zu«, sagte der Toni und nahm mich am Arm, was ich hasse, »ich kann nur hoffen, du hast noch andere Schuhe dabei. Sonst haben wir ein Problem.«
    Was, dachte ich und zog meinen Arm aus seinem Griff, soll ich mit zwei Paar Schuhen, du Folklorist? Ich habe auch nur ein Paar Füße, oder siehst du mehr?
    Nun, was er sah und worauf er anspielte, waren meine Basketballschuhe. Meine ADIDAS. Meine blauen, meine weiß gestreiften, meine teuren, hoch geschätzten, meine, um es kurz zu machen, einzigen Schuhe.
    »Klar doch«, antwortete ich. »Mit eingebauten Steigeisen, ABS und Seitenairbags. Drüben, bei meinem restlichen Krempel.«
    Er blickte skeptisch in die von mir vage angedeutete Richtung, gab sich aber fürs Erste zufrieden. Um nicht ebenfalls für sein Arbeitskommando rekrutiert zu werden, gab ich dringende Verabredungen vor und trollte mich. Arbeit würden die nächsten Tage noch genug mit sich bringen. Kein Grund, sich von Anfang an darum zu reißen.
    Rings um den großen Wendekreis lagen ein paar
    Felsbrocken...
    Das ist jetzt ein bisschen das, was man, warum auch immer, einen Gemeinplatz nennt. Das ist so, als ob ich mich zu Hause aus dem Fenster lehnte und feststellte: >Entlang der Straße stehen ein paar Häuser.<
    Denn Felsbrocken lagen hier überall. Die ganze Gegend bestand daraus. Der Grund unter meinen Füßen. Der Horizont in allen Richtungen. Felsbrocken in jeder beliebigen Größe. Von Sandkornformat bis hin zu diesen Wackmännern, auf deren Spitzen der Schnee selbst im Sommer nicht wegtaut. Felsbrocken, wohin man sein Auge auch richten mochte. Doch, um darauf zurückzukommen, rings um den Wendekreis lagen ein paar grob quaderförmige in gerade der richtigen Höhe, seinen Arsch draufzupflanzen, also tat ich genau das, fummelte eine Dose Bier aus meiner Parkatasche, riss sie auf, und eine Zigarette steckte ich mir auch an.
    Ein Misanthrop wie ich ist immer wieder erstaunt darüber, Menschen mit komplett gegensätzlicher Einstellung zu beobachten. Ich hatte mein Bier noch nicht mal halb leer, und der Toni kannte, glaube ich, schon jeden mit Namen, hatte mit allen einen Händedruck getauscht und mindestens ein Drittel schon mal kurz in den Arm genommen und geherzt. Selbst die Knackis stolperten bald über ihre eigenen Füße im Bemühen, es ihm recht zu machen, und er strahlte sie an dafür.
    Ich bin ja nicht so zu begeistern für das Hordenhafte, und körperliche Nähe ist mir - von offensichtlichen Ausnahmen abgesehen - eher unbehaglich, also versuche ich, meine Mitmenschen, wo es geht, auf einem Minimum von Distanz zu halten, doch der Toni, der zog sie alle an wie ein Staubsauger die Krümel. Wie ein Unfall die Gaffer . Wie ein Unfall die .
    Wie ein Unfall die Gaffer. Wie ein Unfall die Gaffer wie ein
    Unfall die Gaffer wie ein Unfall die Gaffer die Gaffer die Gaffer diese drängenden schubsenden geifernden sabbernden gierigen stierenden - »Das ist vernünftig«, fand jemand auf Höhe meines rechten Knies, und es war die eine der beiden Behinderten im Rollstuhl, die es sagte, und ich brauchte einen Moment, um dahinter zu kommen, was sie meinte. Sie sprach von der zu einem faltigen Knäuel zusammengepressten Dose in meiner Linken. Das gesamte Bier war heraus- und über meine Hand hinweg den Felsen hinuntergeschäumt.
    »Alkohol ist den Teilnehmern dieser Expedition nämlich strengstens untersagt.« Sie war ziemlich rot im Gesicht, ob jetzt vor Entrüstung oder weil es sie so angestrengt hatte, ihren Rolli bis zu mir zu bugsieren, war nicht zu sagen. »Wie Sie eigentlich wissen sollten«, fügte sie verschnupft hinzu. »Oder hat man Sie darüber nicht informiert?«
    »Doch, doch«, murmelte ich und wusste nicht so recht, wohin mit der zerquetschten Dose. »Und wenn ich von nun an weitere Belehrungen brauche, werde ich mich voll Vertrauen an dich wenden, Herzchen.«
    »Ich bin nicht Ihr Herzchen!«, kam es erwartungsgemäß zurück. »Ich bin«, ging es, nicht ganz so erwartungsgemäß, weiter, »Doktor Simone Marx, die begleitende Allgemeinmedizinerin.«
    Um die mir energisch entgegengestreckte Rechte zu ergreifen, musste ich vom Felsen hopsen und meine Kippe im Mundwinkel parken. Ihre Hand war kalt, feucht und schlaff wie ein nicht mehr ganz frischer Fisch. Alles an ihr, von der strengen
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