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Falkenschwur: Die Fortsetzung des Bestsellers »Pestsiegel« (German Edition)

Falkenschwur: Die Fortsetzung des Bestsellers »Pestsiegel« (German Edition)

Titel: Falkenschwur: Die Fortsetzung des Bestsellers »Pestsiegel« (German Edition)
Autoren: Peter Ransley
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Stonehouse sich das Gemeindeland einverleibt und es eingefriedet hatten. Es war nicht einfach gewesen, denn von Gesetzes wegen war ich nur der Nutznießer von Highpoint und den Ländereien, damit der Besitz als Ganzes an die nächste Generation übergeben werden konnte. Da waren ein Wald, nein, zwei Wälder, Marschen, ein Fluss, Fischrechte und dieses Moor. Ich konnte beinahe den Geist von Joshua die Flöte der Freiheit spielen hören. Das hatte ich bewirkt, immerhin.
    Mit einem Ruck kam ich wieder zu mir. Travers redete von Hammelfleisch. So arm das Land auch war, es produzierte das feinste Hammelfleisch der Grafschaft. Und etwas von diesem Hammelfleisch drehte sich am Spieß in seinem Haus. Bei dieser Vorstellung lief mir das Wasser im Munde zusammen, und ich akzeptierte seine Einladung zum Essen.
    Das Hammelfleisch fiel vom Knochen. Während wir es mit Wein herunterspülten, wuchs der Grabstein zu einem Denkmal heran. Ich versuchte, es in Grenzen zu halten, konnte indes nicht widerstehen, als Travers vorschlug, es sollte das Wappen der Pearce zeigen, eine Wildkatze mit erhobener Tatze und dem Motto Tantum Teneo . Hartnäckig bleiben. Meiner Mutter hätte es gefallen. »Ich werde mir einen von ihnen schnappen«, hatte sie gesagt, entschlossen, einen der Stonehouse zu heiraten und den Besitz zu übernehmen, so wie die Stonehouse sich den Besitz ihres Vaters genommen hatten. »Ich werde mir einen von ihnen schnappen …« Tantum Teneo . Hartnäckig bleiben.
    Ich habe sie nie kennengelernt. Alles, was ich von ihr wusste, wusste ich aus Matthews und Kates Erzählungen. Doch an diesem Nachmittag schien es mir, als hätte ich sie mein Leben lang gekannt.
    Ich erklärte Travers, ich würde auf jeden Fall das Wappen der Pearce auf den Stein meiner Mutter setzen lassen. Dann dankte ich ihm für das Hammelfleisch und wollte mich auf den Weg machen. Aber als ich ihn verließ, fühlte ich mich erneut zum Stein hingezogen. Es war spät und das Licht schwand, doch ich zögerte meinen Aufbruch hinaus. Der Nordwind trieb mir Regen ins Gesicht, als ich den Stein anstarrte. Geschichten. Das war es, wozu wir am Ende alle wurden. Jetzt, wo ich mir womöglich wieder auf ehrliche Weise meinen Lebensunterhalt verdienen musste, könnte ich diese vielleicht aufschreiben. Die Idee ließ mich an den Half Moon Court und meinen Sohn Sam denken. Wenn wir fliehen müssten, was würde dann mit ihm geschehen?
    Auch in diesem Herbst hatte ich ihn heimlich beobachtet, begieriger denn je. Er war dreizehn und groß für sein Alter. Ein echter Neave, rotzfrech, gerissen und voller Träume – nicht von Gedichten, sondern von naturwissenschaftlichen Dingen. Von der Herstellung zinnener Kerzenhalter war er dazu übergegangen, mit Hilfe einer Laborausrüstung für Naturwissenschaftler zu experimentieren – selbst mit jenen Instrumenten, von denen es hieß, sie würden neue Welten in einem Tropfen Wasser zeigen. Ich hatte ihm zu einem Start ins Leben verholfen. Außer Scogman und mir wusste niemand von seiner Existenz. Sam würde für sich selbst sorgen können.
    Trotz aller Vorteile, die er so großzügig genossen hatte, machte ich mir mehr Sorgen um Luke. Er war ein Stonehouse, von der hakenförmigen Nase bis zu den modisch ausgebeulten Stulpenstiefeln. Er zeigte sein vernarbtes Gesicht offen, statt sich deswegen zurückzuziehen, und das ließ ihn älter wirken als seine sechzehn Jahre. Da ich selten in Highpoint war, hielt er es für seinen Landsitz, und den würde er nicht so einfach aufgeben.
    Meine beiden Söhne wussten nichts voneinander. Mir fiel auf, dass sie die beiden Seiten meiner Natur darstellten und sich dabei ihrer selbst auf eine Weise sicher waren, wie ich es nie sein konnte. Jahrelang hatte ich die dominante Arroganz der Stonehouse hervorgekehrt, bis ich beinahe selbst einer geworden war. Beinahe. Jetzt spürte ich etwas, das ich lange Zeit tot und begraben geglaubt hatte; die radikalen Regungen von Tom Neave kamen verstohlen wieder zum Vorschein.
    Inzwischen war es einigermaßen dunkel. Ich hatte kaum bemerkt, dass der Regen stärker geworden und ich bis auf die Haut durchnässt war. Es musste ein Abend wie dieser gewesen sein, als man Matthew befahl, ein Pestkind abzuholen. Ich konnte seinen Karren hören. Sah ihn mit der Peitsche knallen. Nein, es war kein Karren, sondern eine Kutsche. Aus der meine Mutter stieg.
    Ich hätte es schwören können. Da war sie, wie ich sie mir stets vorgestellt hatte, und rannte durch den strömenden
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