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Falkenschwur: Die Fortsetzung des Bestsellers »Pestsiegel« (German Edition)

Falkenschwur: Die Fortsetzung des Bestsellers »Pestsiegel« (German Edition)

Titel: Falkenschwur: Die Fortsetzung des Bestsellers »Pestsiegel« (German Edition)
Autoren: Peter Ransley
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entschuldigte sich. Er habe keine Ahnung, wie das hätte geschehen können. Die für den Eingangsbereich zuständigen Dienstboten seien bereits entlassen worden. Mit Eimern voll Seifenlauge versuchten die Küchenjungen, die Eingangstür zu reinigen. In schwarzen, ungelenken Buchstaben hatte jemand das Wort KÖNIGSMÖRDER an die Tür gemalt. Quer darüber prunkte ein rotes Pestkreuz.
    Ich wies Mr Cole an, den Brief zu suchen, der am Morgen angekommen war. Solche Briefe kamen in unregelmäßigen Abständen, aus verschiedenen Regionen Europas, deren Herrscher keine Abkommen mit uns unterzeichnet hatten. Nach dem ersten hatte ich alle folgenden ungelesen zerrissen. Die meisten Fetzen des heutigen Briefes fischte man aus dem Abfallhaufen und brachte sie mir. In den unverblümten Sätzen klang eine Aufrichtigkeit an, die im ersten Brief meines Vaters gefehlt hatte. Er warf sich vor, mich nicht getötet zu haben. Damit hatte er seinen Beitrag zum Tod des von ihm verehrten Königs geleistet, und er würde nicht eher ruhen, bis ich tot sei.
    Er beschrieb in Einzelheiten, wie die Königsmörder, die den Hinrichtungsbefehl unterzeichnet hatten, sterben würden. Ich würde »an Stricken aufgehängt, bis Ihr halb tot seid, und dann zum Schafott geschleift, wo man Euch Euren verfaulten Schwanz und die Eier abschneiden wird«. Ich würde »diese Teufelshure Anne Black (ich werde den Namen der Familie nicht mit ihrem beschmutzen)«, die nur aus »Gründen des Anstands« derselben Strafe entgehen würde, auf dem Scheiterhaufen brennen sehen, ehe »Eure Eier ausgehöhlt und ins selbe Feuer geworfen werden«.
    Ich studierte den Brief genauer, nicht wegen des Inhalts, den ich zuvor schon überflogen hatte, sondern wegen des Stils des Schreibers, der ihn verfasst hatte. Ein Holländer, vermutete ich. Eine schlichte Handschrift ohne Schnörkel, mit der normalerweise Kaufleute ihre Briefe abfassten. Wahrscheinlich aus Amsterdam.
    Ich war leichtsinnig gewesen. Anfangs hatte ich Richards Spur verfolgt, als der selbsternannte Charles II. sich quer durch Europa bettelte. Ich hatte seine Spur verloren und musste sie wiederfinden. Ich wählte einige Papierfetzen aus, mit typischen Beispielen für das »S« und den Querstrich vom »T«, und diktierte einen Brief an einen Kaufmann in Amsterdam, in dem es vordergründig um den Erwerb flämischer Wandteppiche ging. Er war einer unserer besten Agenten in Europa, und mit etwas Glück würde ich binnen eines Monats wissen, wo Richard sich aufhielt. Und mit etwas mehr Glück wäre er in drei Monaten tot. Es wäre gelogen zu behaupten, ich hätte keine Skrupel. Aber das ging vorbei. Ähnliche Entscheidungen verdrängten den Gedanken daran, und es war einfacher, notwendig gar, sie leidenschaftslos zu fällen, mit einem Federstrich und dem Siegel.
    Ich legte die übrigen Fetzen des Briefes in die Schublade, in der Lord Stonehouse die Korrespondenz mit Richard aufbewahrt hatte oder, um genau zu sein, seine Rechnungen und Schuldscheine. Ich hatte sie seit Jahren nicht geöffnet. Im Kerzenlicht sah ich in einer Spalte etwas metallisch glänzen.
    »Mr Cole. Was ist das für ein Schlüssel?«
    Er führte mich zu einer Kammer in einem der oberen Stockwerke, in der verschiedene persönliche Gegenstände und Papiere von Lord Stonehouse aufbewahrt wurden. Hin und wieder hatte ich daran gedacht, sie einmal durchzusehen, aber stets waren dringendere Angelegenheiten dazwischengekommen. Mr Cole holte eine Schatulle hervor. Neugierig öffnete ich sie. Ich fuhr so heftig zurück, dass ich gestürzt wäre, wenn Mr Cole mich nicht aufgefangen hätte. Es war, als hätte der Falke, der sich unvermittelt aus seinem juwelenbesetzten Nest erhoben hatte, den Deckel zurückgestoßen. Die Rubine, die die Augen bildeten, hypnotisierten mich. Meine Mutter hatte den Anhänger kurz vor meiner Geburt gestohlen, und Matthew, der Mann, den ich einst für meinen Vater gehalten hatte, hatte mir erklärt, das alles, was geschehen war, sich darauf zurückführen ließe. Nun, er war ein guter Geschichtenerzähler, aber ich war über solche kindischen Dinge hinweg. Ein Versprechen, das ich einst gegeben hatte, fiel mir wieder ein. Ich lachte über mich selbst, über mein jüngeres Ich.
    Ich war ein Stonehouse, ebenso kalt und leidenschaftslos wie mein Großvater, ein vernünftiger Mann mit einer Neigung zur Naturwissenschaft. Ich tat das Versprechen von einst als dummen, unvernünftigen Aberglauben ab. Gleichwohl setzte ich mich in dieser
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