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Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 3 Fluch der Liebe

Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 3 Fluch der Liebe

Titel: Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 3 Fluch der Liebe
Autoren: Martin Clauß
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Geburtstagsfeier verlief in normaleren Bahnen. Isabel setzte sich, knabberte an ihrem Kuchen und wirkte nicht besonders fit, aber nachdem nun alle den Grund für ihre Unpässlichkeit kannten, ließ man sie in Frieden. In der Linken hielt sie einen Mondstein, den ihr Margarete zugesteckt hatte – als typischer Heilstein für Frauen sollte er ihre Beschwerden lindern. „Das wirkt schneller als jeder Kräutersud“, hatte die Dozentin für Hexenkunst und Magie behauptet.
    Nach 17 Uhr kam noch ein Gast hinzu. Es war Jaqueline, die es offenbar doch noch geschafft hatte, sich von ihren Studien loszueisen. Das rothaarige Mädchen mit dem Kurzhaarschnitt ließ den Blick aufmerksam und ausgiebig über die Anwesenden schweifen.
    „Sie beobachtet uns“, meinte Sanjay.
    „Das tut sie doch immer“, erwiderte Harald. „Sie beobachtet und lernt. Verarbeitet Informationen. Ich wette, sie würde am liebsten unsere Gehirnströme messen, um herauszufinden, was es bedeutet, Spaß zu haben und einfach nur abzuschalten.“
    Und wenig später erschien sogar Madoka.
    Sie kam die linke der beiden Treppen herab, langsam, wie ein Gespenst, und als die anderen sie entdeckt hatten, tauchte die Geburtstagsgesellschaft in ein Meer aus Schweigen ein. Sie hatte sich umgezogen und trug dieselbe nichtssagende Mischung aus Jeans und hellem T-Shirt, die sie immer trug. Ihre Miene war düster und verschlossen, wie immer, ihr Blick wich den Menschen aus, trieb sich in den Ecken herum, wo es nichts zu sehen gab.
    Die Stille hielt an. Niemand fragte, ob es okay war, dass sie schon wieder aufstand. Sie war kein kleines Kind mehr, auf das man aufpassen musste. Niemand machte eine spöttische Bemerkung. Niemand bot ihr ein Stück Torte oder einen Sitzplatz an. Alle starrten sie nur an. Auch Isabel schaffte es nicht, sie auf ihrer Party willkommen zu heißen und ihr für ihr Kommen zu danken.
    Die erste Äußerung, die das Schweigen durchbrach, hatte überhaupt nichts mit der Japanerin zu tun.
    „Woher kommt diese schwarze Teekanne?“
    Es war Jaqueline, die die Frage gestellt hatte, laut und deutlich. Sie schien die Frage nicht allein an Isabel gerichtet zu haben, sondern an alle Anwesenden zugleich.
    „Warum? Was ist damit?“ Georg, vor dem die Kanne gerade stand, nahm sie in die Hand, hob sie hoch und betrachtete sie von allen Seiten. Er zuckte die Schultern, als wolle er allen verdeutlichen, dass er nichts Ungewöhnliches daran entdecken konnte.
    „Hier“, sagte Jaqueline. Sie entfaltete einige Seiten eines Computerausdrucks und legte sie auf den ersten der Tische. Drei Zeilen waren mit gelbem Marker hervorgehoben. Die Sitzenden reckten ihre Hälse, und am Nebentisch erhoben sich einige Studenten, um den Ausdruck ebenfalls zu lesen.
    Isabel blieb sitzen und rührte sich nicht. Madoka geisterte am Fuße der Treppe herum, schien unbeteiligt. In Wirklichkeit, da konnte man sicher sein, verfolgte sie genau, was geschah.
    „Der irische Schriftsteller William Butler Yeats“, begann Jaqueline und klang zur Hälfte wie eine Dozentin, zur Hälfte wie ein gesprächiger Detektiv aus einem Agatha-Christie-Roman, „hat in einigen seiner Texte Einzelheiten aus dem Volksglauben zusammengestellt. Unter anderem“, sie machte eine völlig unnötige Kunstpause, „beschreibt er die Herstellung eines ... Liebestranks.“
    „Oh“, meinte Harald. „ Mr. Hyde wird sich freuen. Da hat jemand seine Hausaufgaben gemacht. Unterrichtsnachbereitung – der Glanz eines erfüllten Studentenalltags.“
    „Falsch, Harald“, versetzte Jaqueline. „Der Unterricht wurde in diesem Fall nicht nach-, sondern vorbereitet. Und übrigens nicht von mir.“
    „Nicht?“ Etwas anderes fiel Harald nicht ein.
    „Jemand hat vorgestern Morgen, noch vor sechs Uhr, im Internet nach dem Begriff ‚Liebestränke’ gesucht.“
    „Ja, und? Es war Unterrichtsthema.“
    „Das war einen Tag vor Dr. Konzelmanns Seminar. Und dieser Jemand wurde fündig. Unter anderem fand er – oder sollte ich sagen: fand sie – diesen Text von Yeats hier.“
    Artur, der gerade den Ausdruck vor sich hatte, las die markierte Stelle laut vor:
    „Sie vermögen Liebestränke herzustellen, indem sie die Leber einer schwarzen Katze trocknen und zermahlen. In den Tee gemischt und aus einer schwarzen Kanne eingegossen, ist das Mittel ...“
    „... unfehlbar“, ergänzte Jaqueline das letzte Wort, das Artur nicht aussprechen wollte. Er war plötzlich in Gedanken versunken, und sein Herz begann schneller zu
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