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Fahrt zur Hölle

Fahrt zur Hölle

Titel: Fahrt zur Hölle
Autoren: Hannes Nygaard
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die Hände und las die nächste Seite. Zwischendurch hielt er inne, machte sich auf einem bereitliegenden Block ein paar Notizen und las weiter. Er hatte zwei Drittel der Seite durchgearbeitet, als es am Rahmen seiner stets offenen Bürotür klopfte. Erstaunt sah er auf.
    »Guten Morgen, Herr Lüders.« Kriminaldirektor Dr.   Starke war – wie immer – gebräunt und trug Designerkleidung, als müsse er gleich vor einem auserwählten Publikum eine neue Geldanlageform präsentieren.
    Lüder erwiderte den Gruß nicht und sah dem Abteilungsleiter entgegen, der an den Schreibtisch herantrat, nachdem er die Tür hinter sich geschlossen hatte.
    »Darf ich?«, fragte Dr.   Starke und nahm auf dem Besucherstuhl Platz. »Ich hoffe, es geht Ihnen gut. In der Familie ist auch alles in Ordnung?«
    Lüder schwieg. So hatte er den Kriminaldirektor noch nie erlebt. Die beiden Männer empfanden eine gegenseitige Abneigung füreinander, und sein Vorgesetzter hatte oft versucht, Lüder versetzen zu lassen. Bisher war das Vorhaben stets gescheitert, aber Dr.   Starke suchte nach Möglichkeiten, Lüder eine Dienstverfehlung oder zumindest mangelhafte Leistungen nachzuweisen. Deshalb unterließ er es zu antworten, kniff ein wenig die Augen zusammen und betrachtete sein Gegenüber. Das blaue Hemd mit der dezenten Seidenkrawatte, das gut sitzende Sakko und die Hose mit der messerscharfen Bügelfalte, die jetzt hinter der Schreibtischkante verschwunden war, passten ebenso zu dem Kriminaldirektor wie die sorgfältig manikürten Hände. Lüder nahm auch den Herrenduft wahr, mit dem sich Dr.   Starke parfümiert hatte. Es roch wie … wie … Lüder unterdrückte die Versuchung, eine bissige Bemerkung darüber abzugeben und Begriffe wie »Gestank«, »süßlich« und »Männerpuff« in einen Kommentar zu kleiden.
    »Nachdem Sie so oft erfolgreich auch schwierige Missionen für das Land gemeistert haben, ist Ihr kluger Rat gefragt«, begann der Kriminaldirektor.
    Dann legte er eine längere Kunstpause ein und musterte Lüder, den blonden wuscheligen Haarschopf, der stets wie ungekämmt wirkte, die blauen Augen und das markante scharf geschnittene Gesicht.
    »Ich höre«, sagte Lüder und war sich bewusst, eine Floskel verwandt zu haben, die zum Markenzeichen eines Kieler Fernsehermittlers geworden war.
    »Berlin möchte mit Ihnen sprechen. Mit uns«, schob der Kriminaldirektor nach.
    »Berlin?« Lüder war überrascht. »Kiel ist unsere Hauptstadt. Polizei ist Ländersache. Der Bund hat eine eigene Polizei. Und das Bundeskriminalamt.«
    »Wir alle sind Deutschland.« Dr.   Starkes Antwort klang eine Spur zu salbungsvoll. Als Lüder nicht darauf einging, fuhr er fort. »In diesem Fall müssen wir alle unsere Kenntnisse und Fähigkeiten einbringen.«
    »In welchem Fall?«
    »Das ist topsecret. Jedenfalls sind wir beide von Berlin angefordert worden.«
    »Wann?«
    »Sofort!«
    Lüder lehnte sich zurück und zeigte mit der Spitze des Kugelschreibers auf den Kriminaldirektor. »Wir sollen jetzt nach Berlin fahren?«
    Dr.   Starke schüttelte den Kopf. »Nicht fahren. Ich habe einen Hubschrauber bei der Bundespolizei-Fliegerstaffel in Bad Bramstedt angefordert, da unsere Landespolizei keine eigene Hubschrauberstaffel unterhält.«
    »Fuhlendorf«, korrigierte ihn Lüder, aber sein Vorgesetzter überhörte es.
    »Der wird uns nach Berlin bringen.«
    Lüder glaubte, in seinem Gegenüber zu erkennen, für wie bedeutsam sich der Kriminaldirektor hielt, weil man ihn sofort in Berlin benötigte.
    Sie wurden durch das typische »Flapp-flapp« eines Hubschraubers abgelenkt. Dr.   Starke stand auf.
    »Kommen Sie«, sagte er und erinnerte Lüder: »Vergessen Sie Ihren Dienstausweis nicht.«
    Lüder sicherte seinen Rechner, verstaute die Unterlagen von seinem Schreibtisch in das Sideboard und folgte Dr.   Starke zum Hubschrauberlandeplatz, auf dem die Maschine mit der großen Aufschrift »Bundespolizei« auf der Seite gelandet war. Der Pilot, ein Hauptkommissar, begrüßte sie mit Handschlag.
    »Schmitz«, stellte er sich vor und half ihnen beim Einstieg und beim Festschnallen. »Es stört Sie hoffentlich nicht, dass wir mit einer Schulungsmaschine gekommen sind«, erklärte er. Fast liebevoll strich seine Hand über die Außenhaut. »Falls es Sie interessiert: Eurocopter 120. Wir werden etwa zweihundertfünfzig Stundenkilometer fliegen und in circa anderthalb Stunden in Berlin sein.« Er zeigte ein jungenhaftes Lachen. »Wenn nichts
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