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Fado Alexandrino

Fado Alexandrino

Titel: Fado Alexandrino
Autoren: António Lobo Antunes
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einem Karussell aus Fenstern, Ampeln, Menschen kreiseln, die erschrocken vor der rostigen Motorhaube davonrannten, ein Verkehrspolizist schaute ihnen, in einer Geste versteinert, nach, der Leutnant verschloß die Schublade wieder, ging einen Flur in entgegengesetzter Richtung entlang (ein, zwei, drei, vier, fünf rote Feuerlöscher mit aufgedruckter Gebrauchsanweisung), drückte auf den Knopf vom Fahrstuhl, der einen grünen, nach unten weisenden Pfeil zeigte, eine spillerige Angestellte drückte sich schüchtern in eine Türlaibung, und da war wieder das Weltraumpfeifen des Mechanismus, dann folgte die interstellare Überfahrt zur Eingangshalle, die er, wie ein Astronaut in der Aluminiumkabine eingezwängt, hinter sich brachte. Die Stechuhr klimperte wie eine Spardose, als er die Lochkarte in den Schlitz schob, der Bürodiener betrachtete ihn mit der unterwürfigen Ruhe eines Schafes, während er einen Streichholzgrashalm kaute, die Mädchen mit den gelockten Strähnen von der Telefonzentrale kümmerten sich gerade, die Stirnen auf Tresenhöhe, um einen kleinen Typen mit Zigarette im Mund und Ziehharmonikahosen in Begleitung eines Polizisten in Uniform, der diskret irgendeinen Ausweis zu zeigen schien.
    – Sie bleiben noch ein paar Tage hier, meine Gnädigsten, wir haben jede Menge Zimmer, antwortete der Dicke, während er mit dem Bleistift in einem Ohrloch herumbohrte. Ich habe mich schon an Sie gewöhnt, mich von Ihnen zu trennen würde mir das Herz brechen.
    Am Ausgang von Lissabon, hinter dem Flughafen, wo die Flugzeuge sich an einem langen, verglasten Gebäude aufreihten, führte die Straße auf einem Viadukt über die Kaserne hinweg, wo sie sich zehn Jahre zuvor, noch mit dem Sprühregen von Mosambik in den Knochen, verabschiedet hatten und zu den Gitterstäben des Tors gegangen waren, an dem sich ein menschlicher, schreiender, wirrer Oktopus häufte: der Soldat erkannte vage die Kasernengebäude, Militärlastwagen in Reih und Glied auf dem Kasernenhof,
die Fahne am Kommandogebäude, Soldatenameisen hier und dort: die Ampel sprang plötzlich auf Grün um, der Stumme gab jählings Gas, ein Nebelschwall drang ins Führerhaus, und trotzdem sah er es: ein kleines, dunkelblaues oder schwarzes Auto, das sich quer vor sie stellte, den Kopf einer Frau, andere Köpfe, der kleine Wagen zögerte, bremste, fuhr los, bremste wieder, jemand hupte verzweifelt links von uns, Halt an, schrie er, der Stumme trat auf ein Pedal, schlug das Lenkrad ein, die Reifen quietschten, rutschten, platzten, gaben nach, eine Achse, eine Feder, ein lebensnotwendiges Teil zerbrach unter unseren Füßen wie ein Zweig, der Lastwagen kreiselte um sich selber, Da unten, da war der Krieg zu Ende, dachte dumpf der Soldat, dort hatten die Überfälle, die Minen, die Toten und die Verletzten ein Ende, der Stumme ließ das Lenkrad los und schützte sein Gesicht mit den Armen, das kleine Auto verschwand unversehrt hinter uns, Kandierte Früchte, Bonbons, Kerzen für den Geburtstagskuchen des Kleinen, sein anämischer, sachter Atem, sein spitzes Spatzengesicht, der altersschwache Lastwagen knallte unter einem Regen aus Glas und Backsteinen gegen eine Mauer des Viadukts, Wir werden da runterfallen, dachte er, wir werden senkrecht runter auf den Kies der Kaserne fallen, ein, zwei Drehungen in der Luft, die Körper gegeneinandergewirbelt, eine Kommode, die sich auflöste, eine Spur auf Sand und Gummigeruch und der Geschmack von Blut oder zerquetschtem Fleisch im Mund, ein unendliches Innehalten, die Gewißheit, ewig über einer zweiten Straße dicht an der Mauer der Kaserne zu schweben, der Oktopus aus Menschen wogte, rief sie, der Sack mit dem afrikanischen Plunder wog schwer auf meiner Schulter, der Asphalt immer näher, der Schrei des Stummen hallte wie in einem leeren Schwimmbecken, ein Taxi nach Buraca nehmen, die feindseligen Augenbrauen meiner Schwester sehen, meine Taille oder meine Nieren wurden zermalmt, schmerzlos, ohne Leiden, ohne ein Geräusch, das Ohr von einer dunklen, klebrigen Paste genäßt, die Beine in Metallkanten gefangen, der Kilometerzähler flog lose im Fahrerhaus herum,
eine flüchtige Waldlandschaft, und ich renne, die Waffe in der Hand, auf das Dorf zu, und gleich danach und vor dem Krach und der Explosion und den hohen gelben Flammen nichts.
    – He, Nunes, rief jovial der Dicke, indem er das Bleistiftende ungeheuer interessiert betrachtete, führe die Gnädigsten hier bitte in die Hochzeitssuite.
    – An Ihrer Stelle, Herr
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