Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Exzession

Exzession

Titel: Exzession
Autoren: Ian Banks
Vom Netzwerk:
Holo-Bildschirm.
    Dajeil verlor allmählich die Geduld. »Amorphia, um wie
das Schiff zu sprechen: Was ist los?«
    Der Awatara betrachtete die Frau mit einem seltsam verlorenen,
wilden Ausdruck in den Augen, und Dajeil war eine Sekunde lang
besorgt, daß etwas schiefgelaufen sein könnte; vielleicht
hatte das Schiff eine schreckliche Verletzung oder Spaltung erlitten,
vielleicht war es vollkommen irre geworden (schließlich hielten
seine Kollegen es bereits für halbirre, bestenfalls) und hatte
Amorphia seiner eigenen unzureichenden Ausstattung überlassen.
Dann faltete sich das schwarzgekleidete Geschöpf aus dem Sessel,
schritt zu dem einzelnen kleinen Fenster, das aufs Meer hinausging,
und zog die Vorhänge zur Seite, um den Ausblick zu begutachten.
Es legte sich die Hände auf die Arme, sich selbst umarmend.
    »Möglicherweise ist alles im Begriff, sich zu
ändern, Dajeil«, sagte der Awatara mit hohler Stimme,
anscheinend an das Fenster gerichtet. Für einen kurzen
Augenblick sah er sich zu ihr um. Er hakte die Hände hinter dem
Rücken ineinander. »Das Meer muß sich vielleicht in
Stein verwandeln, oder in Stahl; der Himmel ebenfalls. Und du und
ich, wir müssen uns vielleicht trennen.« Er wandte sich um
und sah sie an, dann trat er zu ihr und hockte sich auf das eine Ende
der Couch, wobei seine dürre Gestalt das Polster kaum
eindrückte. Er starrte ihr in die Augen.
    »Zu Stein werden?« fragte Dajeil, die sich immer noch um
die geistige Gesundheit des Awatara oder des ihn beherrschenden
Schiffes oder beider sorgte. »Was willst du damit
sagen?«
    »Wir… das heißt, das Schiff…«, sagte
Amorphia und legte sich eine Hand auf die Brust,»…
müssen vielleicht… letztendlich… etwas Bestimmtes
tun.«
    »Etwas Bestimmtes tun?« sagte Dajeil.
»Was?«
    »Etwas, das eine Veränderung der Welt hier nötig
macht«, antwortete der Awatara. »Etwas, wodurch es
erforderlich wird – als mindestes –, daß wir unsere
beseelten Gäste mit allen anderen einlagern – na ja, dich
ausgenommen – und wir dann vielleicht alle unsere Gäste
– alle unsere Gäste – in geeigneten anderen
Habitaten unterbringen müssen.«
    »Auch mich?«
    »Auch dich, Dajeil.«
    »Ich verstehe.« Sie nickte. Das bedeutete, den Turm zu
verlassen, das Schiff zu verlassen. Ach, dachte sie, welch
plötzliches Ende meiner geschützten Abgeschiedenheit!
»Und ihr?« fragte sie den Awatara. »Ihr geht
unterdessen weg, um… was zu tun?«
    »Etwas«, sagte Amorphia ohne Ironie.
    Dajeil lächelte dünn. »Über das du mir nichts
sagen möchtest.«
    »Über das ich dir nichts sagen kann.«
    »Weil…«
    »Weil ich es selbst noch nicht weiß«, sagte
Amorphia.
    »Aha.« Dajeil dachte einen Augenblick nach, dann stand
sie auf und ging zu einem der Holo-Bildschirme, wo eine Kameradrohne
einen lichtgesprenkelten Schwarm von purpurgeflügelten Rochen
über den Grund eines flachen Teils des Meeres verfolgte. Sie
kannte diesen Schwarm ebenfalls; sie hatte drei Generationen dieser
riesigen, sanften Wesen leben und sterben sehen; sie hatte sie
beobachtet, und sie war mit ihnen geschwommen und hatte – einmal
– bei der Geburt eines ihrer Jungen geholfen.
    Riesige purpurfarbene Flügel wogten im Zeitlupentempo, und
ihre Spitzen wühlten dann und wann kleine goldene
Sandgestöber auf.
    »Das ist in der Tat eine Veränderung«, sagte
Dajeil.
    »Allerdings«, sagte der Awatara. Er schwieg eine Weile,
dann fuhr er fort: »Und es könnte zu einer Veränderung
der persönlichen Umstände führen.«
    Dajeil wandte das Gesicht dem Geschöpf zu, das sie mit weit
aufgerissenen Augen, ohne zu blinzeln über die Couch hinweg
eindringlich anstarrte.
    »Eine Veränderung der persönlichen
Umstände?« fragte Dajeil, und ihre bebende Stimme verriet
ihre Erregung. Sie strich sich erneut über den Bauch, dann
zuckte ihr Gesicht, und sie sah auf ihre Hand hinab, als ob auch
diese zum Verräter geworden wäre.
    »Ich weiß es nicht mit Sicherheit«, gestand
Amorphia. »Aber es besteht die Möglichkeit.«
    Dajeil riß sich das Band aus dem Haar und schüttelte
den Kopf, indem sie ihr langes, dunkles Haar lockerte, so daß
es ihr Gesicht halb bedeckte, während sie von einer Seite des
Raums zur anderen schritt.
    »Ich verstehe«, sagte sie und blickte hinauf zur Kuppel
des Turms, der jetzt von einem leichten Regen berieselt war. Sie
lehnte sich an die Wand der Holo-Bildschirme, den Blick unverwandt
auf den Awatara gerichtet. »Wann wird all das
geschehen?«
    »Einige
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher