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Exzession

Exzession

Titel: Exzession
Autoren: Ian Banks
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kleine Veränderungen – unbedeutend, aber
dazu angetan, uns in Zukunft viel Zeit zu sparen, wenn sie jetzt
durchgeführt werden – geschehen bereits«, sagte er.
»Der Rest, der Hauptteil – das kommt später. In ein
paar Tagen, vielleicht in einer Woche oder zwei… falls du
einverstanden bist.«
    Dajeil dachte kurz nach, wobei ihr Gesichtsausdruck abwechselnd
mehrere Regungen widerspiegelte, dann lächelte sie.
»Heißt das, du bittest mich um meine Zustimmung zu
alledem?«
    »Sozusagen«, murmelte der Vertreter des Schiffs, senkte
den Blick und spielte mit seinen Fingernägeln.
    Dajeil ließ ihn das eine Weile lang tun, dann sagte sie:
»Schiff, du hast dich hier um mich gekümmert, hast mich
gewähren lassen…« – sie bemühte sich, das
dunkelgekleidete Geschöpf anzulächeln, obwohl es noch immer
in die eingehende Betrachtung seiner Fingernägel versunken war
–, »mich während all dieser Zeit bei guter Laune
gehalten, und ich kann meine Dankbarkeit nicht in ausreichendem
Maß zum Ausdruck bringen oder hoffen, mich für all das
jemals angemessen revanchieren zu können, aber ich kann keine
Entscheidungen für dich treffen. Du mußt tun, was du
für richtig hältst.«
    Sofort sah das Geschöpf auf. »Dann werden wir jetzt
anfangen, die gesamte Fauna zu kennzeichnen«, sagte es.
»Das wird es uns zu gegebener Zeit erleichtern, alles
einzusammeln. Danach wird es noch ein paar Tage dauern, bevor wir mit
dem Verwandlungsprozeß beginnen können. Von dem Punkt
an…« – er zuckte die Achseln. Das war die
menschlichste Bewegung, die sie je an dem Awatara gesehen hatte
– »… vergehen vielleicht noch zwanzig oder
dreißig Tage, bevor… bevor irgendein Entschluß
gefaßt wird. Auch das ist schwer zu sagen.«
    Dajeil verschränkte die Arme vor der Wölbung ihrer
vierzigjährigen, von selbst fortwährenden Schwangerschaft.
Sie lächelte schal, und plötzlich konnte sie ihre
Gefühle nicht mehr zurückhalten und blickte durch
Tränen und schwarze, wallende Locken hindurch das langgliedrige
Geschöpf an, das sich auf ihrer Couch zurechtgefaltet hatte, und
sagte: »Also dann, du hast doch bestimmt noch einiges zu
erledigen, oder?«

    Von der Spitze des regenumtosten Turms sah die Frau dem Awatara
nach, dessen Schritte ihn auf dem schmalen Pfad durch die von
spärlichen Bäumen bestandene Wasserwiese zum Fuß der
Zweikilometer-Klippe zurückführten, die von einem steilen
Geröllhang begrenzt wurde. Die dürre, dunkle Gestalt –
die ihr halbes Sichtfeld ausfüllte und durch die
Vergrößerung körnig erschien – überwand
einen letzten großen Steinbrocken am Fuß der Klippe und
war dann verschwunden. Dajeil entspannte ihre Augenmuskeln;
unterdessen setzte eine Reihe von beinahe instinktiven
Routinevorgängen in ihrem Gehirn wieder ein. Ihre Sicht
normalisierte sich wieder.
    Dajeil hob den Blick zu dem verhangenen Himmel. Eine Formation von
Kastendrachenwesen schwebte gleich unter der Wolkendecke direkt
über dem Turm in der Luft, dunkle rechteckige Formen, die
unbeweglich im Grau hingen, als ob sie Wache über sie
hielten.
    Sie versuchte sich vorzustellen, was sie fühlten, was sie
wußten. Es gab Methoden, sich direkt in ihre Gehirne
hineinzutasten, Wege, die virtuell bei Menschen niemals benutzt
wurden und deren Anwendung selbst bei Tieren im allgemeinen
stirnrunzelnd beurteilt wurde, proportional abhängig vom
Intelligenzgrad der Tiere, aber es gab sie, und das Schiff würde
ihr erlauben, sie anzuwenden, wenn sie darum bäte.
Außerdem gab es Möglichkeiten, daß das Schiff beinah
perfekt simulierte, was solche Geschöpfe erlebten, und sie hatte
diese Techniken oft genug angewandt, um ein menschliches
Äquivalent dieses Nachahmungsprozesses in ihr eigenes Gehirn
übertragen zu lassen, und diesen Prozeß erflehte sie
jetzt, jedoch vergebens, wie sich herausstellte. Sie war zu erregt,
zu sehr abgelenkt von den Dingen, die Amorphia ihr eröffnet
hatte, um sich konzentrieren zu können.
    Statt dessen versuchte sie, sich das Schiff als Ganzes vor eben
diesem geschulten inneren Auge vorzustellen, indem sie sich an die
Gelegenheiten erinnerte, da sie das Gefährt von seinen
Außenmaschinen aus oder während des Umfliegens gesichtet
hatte, in dem Bemühen, sich die Veränderungen vor Augen zu
führen, für die es sich derzeit schon vorbereitete. Sie
nahm an, daß sie aus einer Entfernung, die es einem erlaubte,
das ganze Schiff zu sehen, nicht zu erspähen sein
würden.
    Sie ließ den Blick schweifen, erfaßte die
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