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Extrem

Extrem

Titel: Extrem
Autoren: Stefan Goedde
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David Rosanis erzählt von so einem Mann, der in großer Einsamkeit seinen ganz persönlichen Wettkampf mit dem Sonnengott austrägt. Der französische Wüstenforscher Régis Belleville schafft es, bis zu 49 Tage durch die Wüste zu ziehen, ohne unterwegs Wasser aufnehmen zu müssen – das, was seine Kamele zu tragen vermögen, reicht ihm für diese Zeit. „Ich trockne gänzlich aus, aber ich darf nicht sterben. So einfach ist das“, erklärt Belleville, und ein wenig ausführlicher erläutert er, dass er den Wasserverlust seines Körpers um fast zwei Drittel reduzieren kann. Dadurch verbraucht er an einem acht- bis neunstündigen Tagesmarsch durch die Wüste nur vier anstelle der zwölf Liter, die ein normaler Mensch verlieren würde. Wie er in dem Film berichtet, hat er seinen Organismus darauf trainiert, kaum zu schwitzen und den Stoffwechsel herunterzufahren, sodass er nur noch sehr wenig Flüssigkeit ausscheidet. Bellevilles Leistung ist sehr beeindruckend, und sie erinnert an den Mann in der Kälte, Wim Hof, der sein vegetatives Nervensystem beeinflussen kann. Denn auch Belleville verändert durch Konzentration und Übung ganz elementare Funktionen seines Körpers, wie das Ausscheiden von Flüssigkeit über Haut und Blase. Vorgänge, die wir normalerweise nicht kontrollieren können.
    Doch wo, wenn nicht in der Wüste, sind wir noch extrem hohen Temperaturen ausgesetzt?
Von Saunarittern und Aufgussspezialisten
    Michaela Butz, Reiseverkehrskauffrau aus Hessen, 38, gehört zu denen, die es besonders heiß mögen. Seit ihrem fünften Lebensjahr geht sie in die Sauna. Dem Verein „Saunaritter e. V.“ in Hessen, der 27 Mitglieder hat, gehört sie seit 2009 an. Dort wurde sie „abgehärtet“ und deutsche Saunameisterin. Durch das spezielle Training im Verein ist sie auch zur Sauna-WM gekommen, bei der sie schließlich 2010 Weltmeisterin wurde.
    Etwas macht hier stutzig. Bisher hatte man die Gewohnheit mancher Menschen, in ihrer Freizeit zu schwitzen – meist in Holzhütten und nur mit einem Handtuch bekleidet –, den Sphären der Wellness-Kultur zugeordnet. Saunagänge stärken bekanntermaßen das Immunsystem, da die hohen Temperaturen von 80 bis 100 Grad in der Lage sind, Viren und Bakterien, also mögliche Krankheitserreger, abzutöten. Sie fördern außerdem die Entspannung der Muskeln und dienen der Regeneration der Haut. Besonders effektiv ist dieses Prozedere in einem ausgewogenen Wechsel mit eiskalten Duschbädern und anschließenden Ruhepausen. Aber Sport? Wettkampf?
    Offenbar verlockte die Möglichkeit, bis an extreme Grenzen zu gehen, dem Körper eine außerordentliche Leistung abzuverlangen und sich hierin mit anderen zu messen, dazu, einen Wettbewerb im Saunieren, gar eine WM zu erfinden. Das geschah 1999 in Heinola, Finnland, dem Ursprungsland der Sauna.
    Bei der Sauna-WM gibt es Vorrunden, Achtel-, Viertel-, Halbfinale und Finale. Jeweils sechs Teilnehmer treten in einer Kabine gegeneinander an. Die Temperatur in derSauna beträgt 110 Grad. Alle 30 Sekunden wird mit einer Aufguss-Automatik ein halber Liter Wasser auf den Ofen gegossen. Mit jedem dieser Aufgüsse steigt die Luftfeuchtigkeit um bis zu drei Prozent. Und weil Luft alleine ein schlechter Wärmeleiter ist – Wasser aber ein guter –, steigt damit auch die gefühlte Temperatur permanent an. Bei der Sauna-WM kommt es nicht auf die gestoppte Zeit an, sondern darauf, welcher Leistungs-Schwitzer die Sauna als Letzter verlässt. Jede Sauna ist anders gebaut und belüftet, jeder Ofen heizt anders. Deshalb unterscheidet sich die Dauer, die es die Teilnehmer bei den verschiedenen Wettkämpfen in der heißen Luft aushalten. Michaela Butz, die deutsche Sauna-Weltmeisterin, saß bei der deutschen Meisterschaft 10 min 25, bei der WM hielt sie es „nur“ 3 min 55 aus – aber sie gewann damit beide Wettbewerbe. Dabei verlangte sie ihrem Körper jedes Mal einiges ab, wovon sie mir in einem Interview berichtete. Frau Butz, wie fühlt man sich in der extremen Hitze?, lautete meine Eingangsfrage.
    „Wie ein Frosch im wärmer werdenden Wasser, aber man bleibt einfach sitzen (lacht). Es ist schon sehr heiß – und manchmal frage ich mich für einen Moment: Warum gehe ich nicht einfach raus? Aber ich mag die Hitze, meine Haut kann die Wärme gut abtransportieren. Das Gefühl des Sieges entschädigt letztlich für die Schmerzen, denn es wäre gelogen zu behaupten, es tue nicht weh. Gibt es eine Sportart, in der Weltmeister werden nicht weh tut?
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