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Extrem

Extrem

Titel: Extrem
Autoren: Stefan Goedde
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an alle anderen Orte des Körpers weiterleiten. Mithilfe von elektrischer Ladung senden sie Signale an die verschiedenen Organe. Ändern sich die Umgebungsbedingungen, sinken zum Beispiel die Temperaturen, dann passt das vegetative Nervensystem die inneren Körperfunktionen optimal an diese Situation an, indem es die entsprechenden Signale aussendet. Alle notwendigen Vorgänge werden automatisch ausgelöst, ohne dass wir sie „willentlich“ in Gang setzen: Sobald es kalt wird, beginnt der Körper die Durchblutung der Haut zu reduzieren, ziehen sich die Blutgefäße zusammen, der Stoffwechsel wird aktiviert, und irgendwann beginnen auch die Muskeln zu zittern.
    Damit alle unsere Organe einwandfrei funktionieren, muss der Körper eine konstante Temperatur von 37 Grad Celsius halten. Die verschiedenen Mechanismen des körperlichen Temperaturausgleichs funktionieren in etwa wie die Heizung eines Gebäudes: Das Absinken der Außentemperatur wird durch einen Thermostaten angezeigt – er befindet sich in unserer Haut. Kältepunkte, sogenannte Kaltsensoren, melden das Ereignis „Kälteeinbruch“ an den Regler unserer Heizung, den sogenannten Hypothalamus. Nun beginnt der Organismus, vermehrt Wärme zu produzieren, indem er den Stoffwechsel erhöht. Des Weiteren übernimmt es unsere Muskulatur, Wärme herzustellen, und zwar durch das Anspannen von Körperteilen wie den Schultern und schließlich, wenn das nicht reicht, durch Zittern. Aber das ist noch nicht alles: Nicht nur die Heizung wird angeworfen, wenn es kalt ist. Auch „schließen“ wir gewissermaßen „die Fenster“: Die Blutgefäße in der Hautoberfläche ziehen sich zusammen, und die Durchblutung wird gedrosselt. Indem weniger warmes Blut direkt an der Hautoberfläche fließt, wird die Wärme im Inneren des Körpers gehalten. Und schließlich lässt die Produktion der Schweißdrüsen nach, denn auch über das Schwitzen verlieren wir Wärme.
    Der Vergleich mit einer Heizung im Haus hat natürlich seine Grenzen. Sind wir zu lange zu niedrigen Temperaturen ausgesetzt, würde es nicht ausreichen, einfach den Ofen mit mehr Heizöl oder Kohle zu nähren, etwa indemwir unseren Stoffwechsel durch Nahrungsaufnahme weiter „befeuern“. Auch künstliche Wärmedämmung, zum Beispiel durch besonders dicke Kleidung, kann uns nur begrenzt am Leben erhalten. Über kurz oder lang müssen wir einfach raus aus der Eiseskälte – sonst wird es lebensgefährlich.
Ewiges Eis
    Im März 1912 kamen der britische Polarforscher Robert Falcon Scott und seine Begleiter auf dem Rückweg vom Südpol ums Leben, den sie in einem Wettlauf mit dem Norweger Roald Amundsen als Erste zu erreichen hofften. Amundsen gewann das Rennen, er war bereits am 14. Dezember 1911 am Pol eingetroffen – und kehrte heil zurück. Allerdings verstarb er 16 Jahre später ebenfalls bei einer Expedition ins ewige Eis.
    Scotts Niederlage im Wettlauf zum Südpol ist der vielleicht berühmteste „Tod in der Kälte“. Medizinisch betrachtet haben er und andere Pioniere der Polarforschung dabei alle Stadien der Hypothermie durchlaufen (Hypothermie kommt vom Griechischen „hypo“ – darunter, unter, weniger – und „thermos“ – warm): von der einfachen Unterkühlung bis zum Stillstand aller Organe. Das ist der Prozess, den ein Körper durchmacht, wenn er für eine längere Zeit extrem niedrigen Temperaturen ausgesetzt ist.
    Zunächst sinkt bei der sogenannten milden Hypothermie die Körpertemperatur auf 35 bis 32 Grad Celsius ab. Es zeigen sich Symptome wie Muskelzittern, ein zu hoher Puls (Herzrasen) und eine zu hohe Atemfrequenz, die schließlich zu Teilnahmslosigkeit (Apathie) und zur Beeinträchtigung des Urteilsvermögens führen. Das nächsteStadium, die mittelgradige Hypothermie, ist mit einer Körpertemperatur von 32 bis 28 Grad erreicht. Nun stellt der Körper seine zuvor übersteigerten Aktivitäten wie den zu hohen Puls und das Muskelzittern scheinbar resigniert ein: Der Puls und der Blutdruck sinken unter das normale Niveau ab, das Zittern hört auf – die Muskelreflexe funktionieren nicht mehr. Damit einher geht die sogenannte Kälteidiotie: Der Erfrierende bildet sich ein, ihm sei heiß, er beginnt, sich auszuziehen. Die schwere Hypothermie schließlich, eine Körpertemperatur von unter 28 Grad Celsius, führt von der Bewusstlosigkeit und dem Kreislaufstillstand zu einer verminderten Hirnaktivität. Dabei kann Blut in die Lunge fließen, mit der Zeit kommt es zu Herzrhythmusstörungen und
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