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Extrem

Extrem

Titel: Extrem
Autoren: Stefan Goedde
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schließlich zum Atemstillstand. Ein vielleicht tröstliches Detail: Schon das erste Stadium der milden Hypothermie gleicht einem Zustand starker Müdigkeit. Selbst dann, wenn noch Chancen auf Rettung bestehen, scheint es dem Erfrierenden, als locke ihn ein langersehnter Schlaf.
Mentale Wärme
    Wer nahezu unbekleidet bis zu zwei Stunden im Eis verbringt, der müsste es auf dem Weg durch die Stadien der Hypothermie schon relativ weit bringen. Er wäre vielleicht noch nicht tot, aber sicherlich lebensgefährlich unterkühlt. Wim Hof berichtet, mit welchen Mitteln er die Gesetze der Natur aushebelt: „Durch Fokussierung und starken Willen kann man lernen, den Körper zu kontrollieren und zu beherrschen. Somit kann man auch tiefsitzende Systeme beeinflussen wie das vegetative Nervensystem. Im Jahr 2007 wurde ich in New York vom Feinstein Institut untersucht.Und die Wissenschaftler dort fanden heraus, dass ich die entzündlichen Körper in meinem Blutfluss unterdrücken kann – das war natürlich eine sensationelle Nachricht.“
    Damals berichtete selbst die New York Times von diesem „Endotoxin-Experiment“. Bei dem an der Universität Nijmegen in Holland durchgeführten Versuch verabreichten die Ärzte dem Niederländer, während er sich auf seine Meditationsübungen konzentrierte, sogenannte Endotoxine: „… die Ärzte injizierten mir eine Art Gift, das direkt mit dem Immunsystem reagierte. Man bekommt normalerweise Fieber, Kopf- und Rückenschmerzen, man fühlt sich einfach miserabel – weil das Immunsystem anfängt, zu kämpfen. In diesem Moment – als die Kopfschmerzen begannen – habe ich durch meinen Willen und spezielle Atemübungen die Reaktion des Immunsystems unterdrückt. Die Wissenschaftler konnten das auf den Monitoren sehen, es ist alles dokumentiert.“
    Endotoxine sind Bestandteile der äußeren Zellwand von Bakterien, die typische Abwehrreaktionen des Immunsystems wie Fieber und Entzündungen auslösen. Das überraschende Ergebnis: Hofs Körper schüttete in größeren Mengen das Stress-Hormon Cortisol aus, das zur Unterdrückung der Immunabwehrreaktion – also zur Unterdrückung von Fieber, Kopfschmerz und Entzündungen – beiträgt. Gleichzeitig war in seinem Blut der Anteil an chemischen Stoffen, die für die Entzündungsreaktion verantwortlich sind, um 50 Prozent geringer im Vergleich zu anderen, gesunden Teilnehmern des Experiments.
    Wim Hof setzt scheinbar bloße Willenskraft und Konzentration ein, um auf physische Prozesse Einfluss zu nehmen – und führt uns damit an die äußerste Grenze des Bereiches, den wir hier vermessen: Auf der einen Seite scheint vieles, was wir tun, von Vorgängen in unseremKörper bestimmt zu sein, auf der anderen Seite eröffnen uns Menschen wie Wim Hof die Möglichkeit, zu bestimmen und zu lenken, was in unserem Körper passiert. Da der Eiskünstler einen wissenschaftlichen Nachweis dafür hat, dass er das Verhalten seines Nervensystems und damit verbundene chemische Prozesse beeinflussen kann, möchte ich genauer wissen, wie er diese Fähigkeit erlernt hat und was er dabei tut. Ist er schon als Kind zu Besonderem in der Lage gewesen?
    „Nein, ich war ein ganz normales Kind. Ich bin übrigens ein eineiiger Zwilling. Aber mein Bruder kann die Dinge nicht, denn er ist nicht trainiert. Ich habe zuerst Yoga probiert – aber das hat mich nicht zufriedengestellt. Danach bin ich ins kalte Wasser gegangen. Und in der Kälte hat alles begonnen. Dort habe ich gelernt, tief in meinen Körper zu gehen. Und wenn man weiß, wie man tiefer kommt, dann kann man auch starken Kräften wie der Kälte widerstehen.“
    Mir ist nicht klar, was ich mir unter seiner häufig gebrauchten Formulierung, er begebe sich „tiefer in seinen Körper“, vorstellen soll. Wie genau geht das vor sich?
    „Ich erreiche das durch spezielle Atemübungen und durch Konzentration. Außerdem ist mein kardiovaskuläres System sehr gut trainiert. Meine Durchblutung hilft dem Immunsystem. Meine Venen und Arterien sind in einem besseren Zustand … dadurch, dass sie immer wieder der Kälte ausgesetzt werden.“
    Und wie sehen diese Atemübungen aus?
    „Ich trainiere jeden Morgen eine Dreiviertelstunde. Durch meine spezielle Technik kann ich viereinhalb Minuten ohne Luft in der Lunge existieren. Irgendwo muss die Luft aber natürlich sein. Sie ist im Rest meines Körpers – im Gewebe. Der Körper ist also in der Lage, viel mehrSauerstoff zu speichern, als unsere Lungen es ermöglichen. Wenn man
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