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Extrem

Extrem

Titel: Extrem
Autoren: Stefan Goedde
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auf einer Art Schlitten festgeschnallt, der durch das Eigengewicht des Sportlers in die Tiefe fährt. In vorher definierter Höhe stoppt der Schlitten, eine Seilwinde zieht ihn wieder an die Oberfläche. Der Tauchgang dauert viereinhalb Minuten. Nitschs größter Konkurrent, Loïc Leferme aus Frankreich, kam 2007 bei einem Tauchgang in 170 Metern Tiefe ums Leben.
    Das Apnoetauchen, das Tauchen ohne Atemgerät, ist viel älter als der Extremsport. Die frühesten historischen Quellen, die über Perlen-, Schwamm- und Jagdtaucher berichten, gehen zurück bis ins fünfte Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung. Auch heute gibt es auf den Inseln des Tuamotu-Archipels sowie in Korea und Japan noch Taucher, die auf diese Art und Weise ihren Lebensunterhalt verdienen. Männer und teilweise auch Frauen tauchen unabhängig von Wetter und Wassertemperatur über ein bis zwei Minuten lang 150 bis 250 Mal am Tag in Tiefen von durchschnittlich fünf bis 20 Meter. Zwischen den Tauchgängen machen sie eine Pause von zwei bis drei Minuten.
    Seit das Apnoetauchen als Leistungssportart betrieben wird, sind immer größere Tiefen erreicht worden – was mit erheblichen Herausforderungen für das Herzkreislaufsystem und die Atmung der Taucher verbunden ist. Die Unfallgefahr ist extrem groß. Dabei handelt es sich nicht um das klassische Badeunglück am Urlaubsstrand, sondernum Unfälle, die absolut durchtrainierten Menschen widerfahren. Als ich mit Herbert Nitsch spreche, macht er mir ziemlich schnell klar, dass ein untrainierter Körper den Gegebenheiten eines Apnoetauchgangs in keiner Weise standhalten könnte: „Herr Nitsch, wenn ich mich – als Tauch-Anfänger – auf 214 Meter Tiefe begeben würde – ich wäre vermutlich tot, oder?“
    „Sie würden wahrscheinlich schon in 30 Metern Tiefe keine Trommelfelle mehr haben – und spätestens bei 70 Metern würde Ihre Lunge bluten, Ihre Lungenbläschen würden einfach platzen. Sie kämen bewusstlos unten an – und spätestens an der Oberfläche wären Sie tot.“
Bloodshift
    Was läuft im Körper eines Apnoetauchers anders ab als bei einem untrainierten Menschen? Wieso können manche Menschen eine solche Extremsituation überleben und andere nicht? Zuerst einmal muss man sich die besonderen Bedingungen beim Tauchen vor Augen halten: Durch den zunehmenden Umgebungsdruck werden die Lungen eines Tauchers während des Abstiegs stark komprimiert, also zusammengedrückt, und beim Aufstieg wieder dekomprimiert. Das geschieht innerhalb kürzester Zeit, innerhalb von circa vier Minuten. In dieser Zeit verringert sich das Lungenvolumen während des Abstiegs enorm. Bei einem Tauchgang in der Größenordnung von Herbert Nitschs Rekord schrumpfen seine Lungenflügel auf die Größe zweier Orangen zusammen. Während die Lunge eines Apnoetauchers vor Tauchbeginn um die zehn Liter Luft fassen kann – eine untrainierte Lunge nimmt etwa sechs Liter auf –, enthält sie in der Tiefe nur noch circa 0,5 Liter.Auf jedem Quadratzentimeter seines Körpers lasten 13 Kilogramm.
    Der beim Tauchen entstehende und sich ständig verändernde Druck von Sauerstoff oder Kohlenstoff in der Lunge oder im Blut nennt sich Partialdruck. Je weiter der Taucher in die Tiefe gelangt, desto höher steigen die Lungen-Partialdrücke von Sauerstoff, Kohlendioxid und auch von Stickstoff. Alle drei Gase diffundieren ins Blut. So kommt es – sehr vereinfacht gesagt –, dass der Taucher während des Abstiegs nicht unter Sauerstoffarmut leidet.
    Nach nur wenigen Sekunden geht es dann wieder Richtung Oberfläche, die Lunge dehnt sich aus, gleichzeitig fällt der Umgebungsdruck. Die Partialdrücke sinken wieder, und nun kann es, wenn der Taucher sich zu lange am Boden aufgehalten hat, einige Meter unter der Wasseroberfläche sehr wohl zu Sauerstoffmangel kommen. Ein Grund dafür, warum Taucher nicht etwa in der größten Tiefe, sondern erst kurz vorm Auftauchen häufiger ohnmächtig werden.
    Vor dem Hintergrund dieser physiologischen Besonderheiten frage ich Herbert Nitsch, was er genau tut, um diesen extremen Bedingungen standhalten zu können. Seine Antwort: „Ich experimentiere sehr viel mit verschiedenen Trainingsmethoden und -techniken. Unter anderem geht es um den sogenannten Bloodshift, einen ziemlich komplexen physiologischen Vorgang, den man nur schwer in wenigen Worten erklären kann. Aber im Prinzip muss man versuchen, sein Blut umzuverteilen – aus den Armen und Beinen in den Bauch- und Brustraum.“
    „Wie machen
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