Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Extraleben

Extraleben

Titel: Extraleben
Autoren: Constantin Gillies
Vom Netzwerk:
leer. Ein paar Meter entfernt beginnt eine der Neonröhren an der Decke zu flackern. Hoffentlich löst das nicht die Argon-Löschanlage aus. Ich schaue auf meine Uhr, dann wieder auf das Flackern. Ob das ein weiterer Test ist, und die Herren vor den Überwachungsmonitoren warten nur darauf, dass ich wissbegierig über die Exponate ihres Museums herfalle? Da können sie lange warten. Klack. Ich reiße den Kopf herum und sehe, wie sich die Stahltür wieder öffnet. Dahinter kommt das Gesicht von Herrn Andersson zum Vorschein; er lacht und hat immer noch seine Gummistiefel an. Der gehört also auch dazu, wer eigentlich alles noch - am Ende sogar Nick? Jetzt fängt wohl die Paranoia an. Ich werfe einen letzten Blick auf die alten Terminals, dann drehe ich mich um und trotte auf Âke zu. Willkommen bei der Datacorp. Spieler eins, Sie haben soeben ein Bonusleben gewonnen.
     
    LEVEL 37
     
    Unsere Zeit läuft ab. Aus den unteren Stockwerken donnern schon die Befehle hoch, und Knobelbecher mit Schneematsch an den Sohlen knallen auf die Stufen. Sie fangen also an, die Räume zu durchsuchen. Eine Minute noch, vielleicht zwei, dann werden sie die Tür aufbrechen. Du schaust mich lange an, und für eine Sekunde scheint es, als würdest du den Vorhang ein Stück zur Seite ziehen, um ein Lächeln daran vorbeizuschmuggeln. Doch dann zersplittert unten die erste Tür, und du schaust weg, redest davon, dass wir den Jungs bestimmt genug Vorsprung verschafft haben und ja alles wie geplant gelaufen ist. »Im Hauptquartier wissen sie jetzt bestimmt schon Bescheid.« Ja, sicher. Die Sprengfallen unten im Flaknest sind scharfgemacht, gleich geht der Zauber los. Erstaunlich, diese Distanz, selbst jetzt noch. Ohne Eile knöpfst du deine Strickjacke zu, als ob es übernächste Woche noch reichlich Möglichkeiten gäbe, sich beim Tee im Empire näher bekannt zu machen, zwischen Palmen und Kristallleuchtern. Alleine seien die Chancen wohl besser, sagst du, immer noch mit den Knöpfen beschäftigt. »Wahrscheinlich«. antworte ich, ohne nachzudenken. Das wäre wohl mein letzter Rettungsanker gewesen. Im nächsten Moment hat deine Hand schon den Türknauf erreicht, und du flüsterst »Also«. »Dann«, antworte ich und mache noch einen Schritt nach vorn, aber du bist schon lautlos im Flur verschwunden. Während die Tür wieder zuknarrt, starre ich auf die alte Wand, auf die mit einer Schablone die Worte „LSR VORN« aufgemalt wurden. In diesem Moment hallt das leise Brummen der Motoren durch das Tal. Die Ju wird gleich da sein - perfekt im Zeitplan. aber viel zu spät für uns. »Bimmelimmelim!«, der Flow ist hin. Warum in aller Welt hat der Macher von Castle Wolfenstein bloß dieses idiotische Geräusch eingebaut, sobald man in eine Wand reinläuft? Warum, warum, warum? Dabei hat das Spiel gigantisches Potenzial, trotz der groben Sprites und den armseligen braunen Linien, die wohl Mauem darstellen sollen. Wolfenstein zieht einen magisch in seine Welt rein. Spätestens nach dem vierten Level hat man das Gefühl, mit der Luger hinter einer alten Mauer zu kauern und auf das tödliche Klimpern von einem Bündel Stabhandgranaten auf dem Steinboden zu warten. Und diese herrliche Sprachausgabe erst! Laut Nick hat der amerikanische Programmierer die Sätze ja selbst eingesprochen, und ausnahmsweise liegt er da, glaube ich, richtig. Dieses gekrächzte »Essess« und das »wasistlos« klingen ungefähr so deutsch wie das Englisch von DJ Bobo englisch. Wolfenstein könnte so schön sein, wenn nur nicht dieses blöde Gebimmel wäre. Ich beschließe, mich zusammenzureißen und weiterzuspielen, allein schon deshalb, weil das eine verbotene Handlung darstellt. Streng genommen steht das Game nämlich wegen der kleinen Hakenkreuze auf den Uniformen der Gegner immer noch auf dem Index, wahrscheinlich zusammen mit Lady Chatterleys »Lover«. Nach den stundenlangen Lektionen über die TTL-Logik des Apple II habe ich mir eine Runde des einzig passablen Spiels, das es für die Kiste gibt, verdient, finde ich. Leider sind meine Zockskills bei Castle Wolfenstein derart eingerostet, dass mich die blauen SS-Männchen innerhalb von Sekunden niederballern und mir ein hämisches »Kapputt!« entgegenhusten. Nach zehn Versuchen finde ich in einer der Truhen eine Flasche »Schnapps« und deute das als Signal dafür, es mit der Fortbildung für heute bewenden zu lassen. Eher aus Gewohnheit verzocke ich noch die verbleibenden Leben. An dieser Stelle würde Nick die
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher