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Exponentialdrift - Exponentialdrift

Titel: Exponentialdrift - Exponentialdrift
Autoren: Andreas Eschbach
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daß ich der zweiten Deutungsmöglichkeit – daß alles nur eine Geisteskrankheit sein könnte – im bisherigen Verlauf des Romans zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt hatte. Doch wie sollte ich diesen Aspekt in die bereits wild vorandrängende Handlung einbauen, ohne diese aufzuhalten oder den Bezug zur Realzeit zu verlieren?
    Am darauffolgenden Wochenende war ich passenderweise zum AlienCon nach Berlin eingeladen. Hinter dieser Bezeichnung verbirgt sich ein Treffen von Science-Fiction-Fans, das diesmal in den gediegenen Räumen der Archenholdt-Sternwarte in Treptow stattfand. An diesem Wochenende kam mir der Gedanke, das Problem mit Hilfe eines direkten Bezuges zu dem Film »A Beautiful Mind« zu lösen.
    Das war nicht unproblematisch, weil es sozusagen die Kenntnis des Films zur Voraussetzung für den Verlauf der Geschichte machte. Zwar war »A Beautiful Mind« ein erfolgreicher, inhaltlich anspruchsvoller Film, und man durftemit einiger Berechtigung davon ausgehen, daß nicht wenige FAZ-Leser ihn ebenfalls gesehen hatten, aber für einen normalen Roman wäre das ein unakzeptables erzählerisches Manöver gewesen. (Ich rechnete mit Beschwerden deswegen, es sind jedoch nie welche gekommen.)
    Auf der Rückfahrt von Berlin schrieb ich die Folge 26. Ich schickte Bernhard Abel ins Kino, ließ ihn den gleichen Film sehen und den Verdacht in ihm aufsteigen, womöglich doch kein Alien zu sein, sondern schlicht und einfach schizophren. Und dann drehte ich die Schraube der Konfusion noch eine Drehung weiter, indem ich ihn mit Hilfe jener quasi telepathischen Fähigkeit, die er an Silvester an sich entdeckt hatte, erstmals in den Gedanken seiner Frau lesen und das Geheimnis entdecken ließ, das sie hütete, nämlich ihre Affäre mit Wolfgang Krentz. Zugleich hatte ich damit endlich sowohl ein Motiv als auch eine Möglichkeit für Abel geschaffen, sich dem Kreis der Verschwörer wieder zu nähern und deren Geheimnis zu entdecken – etwas, wonach ich auch schon lange gesucht hatte. Ich hatte verschiedene Szenarien hierfür erwogen, eines umständlicher und langwieriger als das andere. Die Dinge diese Wendung nehmen zu lassen war, bei aller Problematik, wie das Durchschlagen des Gordischen Knotens.
    Ab und zu erlaubte ich mir kleine Insiderscherze. So fand am Wochenende vom 13. und 14. März 2002 in Dortmund der Science-Fiction-Kongreß DORT.CON statt, und Norman Spinrad und ich waren als Ehrengäste eingeladen. Am Samstag abend ging ich mit einigen Besuchern des DORT.CONs essen, in ein hübsches Restaurant am Alten Markt, und während des Essens bemerkte ich zwei Männer an einem Nebentisch, die irritiert zu uns herübersahen. Warum sie das taten, leuchtete mir unmittelbar ein: Science-Fiction-Fans in Haufen zu begegnen ist für normale Mitbürger eine eher unirdische Erfahrung. Aber wie ich die beiden sostaunen sah, kam mir blitzartig die Idee, diese Begegnung in meinem Fortsetzungsroman zu verwenden.
    Ich mußte dazu ein Gespräch zwischen Doktor Röber und seinem alten Doktorvater nach Dortmund verlegen, was noch einiger Vorbereitung bedurfte, aber in Folge 32 war es dann soweit, in diesem Fall natürlich mit einigem zeitlichen Verzug. Etliche der Leute, die an dem Abend dabei waren, haben mir auch geschrieben, daß sie sich wiedererkannt hatten.
    Und wenn Sie noch mal nachlesen wollen: Der Mann, der öfter blinzelt – das bin ich selbst.
10
Anpfiff
    A M 3. APRIL BEKAM ich erstmals eine Spielübersicht für die Fußball-WM in die Hand, und während ich darin blätterte, fiel mir ein, daß ich das ja in den Fortsetzungsroman einbauen mußte. Bloß wie?
    Ich muß vorausschicken, daß ich ein Fußball-Banause bin. Wenn auf dem Fernsehschirm grüner Rasen und Männer in Sporttrikots auftauchen, zuckt meine Hand nach der Fernbedienung. Nicht einmal, wenn mein Leben davon abhinge, könnte ich mehr als drei, vier Bundesligavereine hersagen oder angeben, wer in der letzten Runde Meister (oder wie immer das heißt) geworden ist. Kurzum, ich habe keine Ahnung. Und die Weltmeisterschaft interessierte mich nicht die Bohne.
    Unerfreulicherweise kollidierte sie sogar mit dem Termin, an dem der Plan meiner Verschwörer steigen sollte. Ärgerlich, doch möglicherweise ließ sich daraus etwas machen.Eine Weile erwog ich, das Signal zwar auffangen, die Neuigkeit aber im globalen Fußballfieber untergehen zu lassen (eine Idee, die ich zum Glück bald verwarf).
    Die Weltmeisterschaft begann am Freitag vor dem Stichtag. Und für Samstag, den
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