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Exponentialdrift - Exponentialdrift

Titel: Exponentialdrift - Exponentialdrift
Autoren: Andreas Eschbach
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Planeten entdeckt werden. Aber eine wirklich unglaubliche Koinzidenz – und eine reichlich gruselige dazu – war, daß am 7. Januar 2002 der Asteroid 2001 YB5 haarscharf an der Erde vorbeischoß. Anders als in Filmen wie Deep Impact, wo derlei Bedrohungen schon Monate im voraus entdeckt werden, war man auf diesen Koloß erst zwölf Tage zuvor aufmerksam geworden. Ich wollte es kaum glauben, als ich kurz nach Neujahr, noch völlig mit dem neuen Euro-Bargeld beschäftigt, ins Internet ging und in den Schlagzeilen bei Yahoo diese Meldung vorfand.
    In den Nachrichten wurde einem nur erzählt, daß der Asteroid die Erde in doppelter Mondentfernung passiert habe, und wenn man das so hört, klingt es erst einmal unerhört beruhigend. Aber der Eindruck täuscht. Die Beruhigung hat ihre Ursache darin, daß wir uns keine Vorstellung von den tatsächlichen Dimensionen unseres Sonnensystems machen, und da der Platz in der Zeitung nicht ausreichte, ins Detail zu gehen, will ich das an dieser Stelle nachholen.
    Die Stadt Hagen beherbergt, was viel zu wenig bekannt ist, ein einzigartiges, maßstabsgetreues Modell des Sonnensystems. Ich stieß darauf, als ich im Jahre 1986 ein paar Tage in Hagen verbrachte, und ich finde die zugrundeliegende Idee bis auf den heutigen Tag faszinierend. Das Modell ist nämlich sozusagen in die Stadt eingebaut. Auf dem Turm des Rathauses befindet sich eine vergoldete Kugel mit einem Durchmesser von 1,39 Metern, die die Sonne darstellt, im Maßstab 1:1 Milliarde. In diesem Maßstab ist die Erde 150 Meter weit entfernt, dargestellt durch eine 1,25 cm durchmessende Scheibe auf einer in den Gehweg eingelassenen Bronzeplatte. Pluto, der äußerste Planet des Sonnensystems, liegt, maßstabsgetreu in 5,91 Kilometer Entfernung vom Rathaus, in der weiteren Umgebung der Stadt, die übrigen Planeten entsprechend dazwischen.
    Man muß sich nun die stolze Distanz des Mondes von der Erde in diesem Modell vor Augen führen: nicht einmal 40 Zentimeter! Zwei Handspannen, mehr ist es in diesem Maßstab nicht, was seinerzeit von einer Handvoll winziger Raumkapseln bewältigt wurde. Und jetzt folgen Sie mir bitte durch folgende Vorstellung: Sie sind in der Innenstadt von Hagen unterwegs, sagen wir, um Einkäufe zu erledigen, nicht ahnend, daß dem Piloten eines Sportflugzeugs hoch über der Stadt gerade aus irgendeinem Grund, der in diesem Zusammenhang nicht weiter wichtig ist, eine volle Getränkedose aus dem Seitenfenster fällt. Ein veritables Geschoß, wenn es aus mehreren Hundert Metern Höhe herabfällt, sehr wohl imstande, beim Aufprall schwerste Verletzungen anzurichten. Gerade als Sie auf dem kleinen Punkt stehen, der im Hagener Planetenmodell die Erde symbolisiert, schlägt besagte Dose dicht neben Ihnen ein, weniger als einen Meter entfernt!
    Hätten Sie da nicht auch das Gefühl: »Puh, knapp vorbei! Grade noch mal Glück gehabt!«?
    Sehen Sie. Und genau so war es mit dem Asteroiden YB5 am 7. Januar 2002. Knapp vorbei. Grade noch mal Glück gehabt.
    Keine Frage, daß das in die aktuelle Folge mußte.
    Ein Zufall ganz anderer Art war der Film »A Beautiful Mind«. Ich weiß nicht, inwieweit ich diesen im Vorfeld wahrgenommen hatte; normalerweise interessieren mich biographische Filme nur begrenzt. Doch dann erschien in der FASZ ein großer Artikel über das Leben John Nashs, über Schiozophrenie und über besagten Film, und letzterer wurde in einer Weise gelobt, die mich neugierig darauf machte. Am 14. März 2002 – einem Donnerstag – ging ich zusammen mit meiner Frau ins Kino, um ihn mir anzusehen.
    Es war eine höchst eigenartige Erfahrung, und bestimmtist »A Beautiful Mind« von allen Filmen, die ich in den letzten zehn Jahren gesehen habe, derjenige, der mich am längsten beschäftigt hat. Es gibt darin einen Moment, in dem einem klar wird, daß man der Figur in eine Wahnwelt gefolgt ist, ohne es zu merken, und nicht nur das, man fühlt sich plötzlich auch außerstande zu unterscheiden, was denn nun schon Wahn und was noch – filmische – Wirklichkeit ist. Ein bestürzend gutgelungener Effekt, der mir besser als jede gelehrte Abhandlung klarmachte, worum es bei der Krankheit der Schizophrenie wirklich geht, und mich ahnen ließ, wie man sie als Betroffener erlebt.
    Und natürlich mußte ich an meinen Romanhelden Bernhard Abel denken, der ja auch mit der Frage rang, ob er tatsächlich ein Alienbewußtsein im Körper eines Menschen war oder ob er sich das nur einbildete. Noch im Kino wurde mir klar,
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