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Expedition Ra - Mit dem Sonnenboot in die Vergangenheit

Titel: Expedition Ra - Mit dem Sonnenboot in die Vergangenheit
Autoren: Thor Heyerdahl
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seine Nachkommen am Strand unbekannte Seefahrer empfangen, die ohne Rückfahrkarte über den Atlantik trieben? Vielleicht am Morgen der Zeiten, lange ehe sich die Zivilisation von Afrika und Kleinasien bis an die Küsten des barbarischen Europas verbreitet hatte? Ja, eben das war die Frage. Und die Antwort lautete nein. Entschieden nein. Oder? Ich fühlte eine Taurolle an meinem Rücken scheuern, und ein wenig beunruhigt setzte ich mich im Zelt auf. Oder? Die Frage quälte mich. Ich machte es mir auf dem Tauwerk bequem. Ich sah keine Lösung. Nachdenken half hier nicht. Ich wälzte immer nur die gleichen Gedanken. Falls sich die alten amerikanischen Zivilisationen in Mexiko oder Peru selbst entwickelt haben, müßten die Archäologen den Ort ausfindig machen können, wo die allmähliche Entwicklung geschehen war. Aber wo man auch in Mexiko oder Peru ein Zentrum der Zivilisation fand, stellte sich bei den Ausgrabungen heraus, daß es in voll entwickelter Form an diesen Ort gekommen war und sich nur in lokalen Varianten weiterentwickelt hatte. Nirgends war ein eindeutiger Anfang auszumachen. Also müßte die Antwort klar sein. Import. Import aus Übersee. Aber da blieb eine Frage offen: Zu der Zeit, als die großen Kulturen in der Neuen Welt zu blühen begannen, vielleicht einige Jahrhunderte vor Christus, hatten entsprechende Kulturen in der Alten Welt schon seit einigen Jahrhunderten zu existieren aufgehört und waren versunken.
    Zum Beispiel in Ägypten. Und damit blieb die Antwort nach wie vor aus. Nun standen wir da!
    Wozu also ein Papyrusboot bauen? Meine Gedanken schweiften wieder in die Ferne, über Amerika bis zum Pazifischen Ozean. Dort kannte ich mich aus. Dort hatte ich all meine Zeit der Forschung und der Feldarbeit gewidmet. Als ich vor vier Jahren die ersten Schilfboot-Malereien an den Wänden im Tal der Könige sah, war ich als einfacher Tourist nach Ägypten gekommen. Ich hatte den Bootstyp sofort wiedererkannt. Es war der gleiche gewöhnliche Typ, den die Pyramidenbauer in Nordperu auf ihre Keramikkrüge malten, als ihre Kultur in Südamerika erblühte, lange ehe Polynesien besiedelt wurde. In Peru sind die größten Schilfboote mit zwei Decks übereinander abgebildet. Auf dem unteren Deck stehen eine Menge Wasserkrüge und andere Lasten neben Reihen von kleinen Menschen, und auf dem oberen Deck steht gewöhnlich der irdische Statthalter des Sonnengottes, der Priesterkönig, in übernatürlicher Größe, umgeben von vogel-köpfigen Männern, die oft an Tauen ziehen, um das Schilfboot über das Wasser zu bewegen. Auch auf den ägyptischen Grabmalereien steht der irdische Statthalter des Sonnengottes, der Priesterkönig mit dem Titel Pharao, wie ein mächtiger Riese von winzigen Menschen umgeben auf seinem Schilfboot. Und auch hier ziehen die gleichen Mythengestalten mit Vogelköpfen das Schilfboot an Tauen vorwärts.
    Das Schilfboot und die Männer mit den Vogelköpfen gehörten aus irgendeinem unerklärlichen Grund eindeutig zusammen. Denn so hatten wir sie auch weit draußen im Pazifischen Ozean entdeckt, wo die Maske des Sonnengottes, Schilfboote mit Segeln und Männer mit Vogelköpfen ein unzertrennliches Trio bildeten, das in allen Wandmalereien und Reliefs im alten Zeremoniendorf mit dem Sonnenobservatorium auf der Spitze des höchsten Vulkans der Osterinsel vorherrschte. Die Osterinsel, Peru, Ägypten. Nichts konnte wohl weiter auseinanderliegen. Nichts konnte wohl einen besseren Beweis dafür darstellen, daß Menschen an weit voneinander entfernten Orten auf die gleichen Ideen kamen. Sonderbarer war es schon, daß die Urbevölkerung der Osterinsel die Sonne Ra nannte. Ra war auf allen polynesischen Inseln der Name für die Sonne, das war also kein Zufall. Auch im alten Ägypten hieß die Sonne Ra . Kein Wort in der alten ägyptischen Religion war wichtiger als Ra , die Sonne, der Sonnengott, der Stammvater der Pharaonen. Er, der von Männern mit Vogelköpfen umgeben auf einem Schilfboot fuhr. Riesenstatuen, haushohe behauene Monolithe wurden zu Ehren der irdischen Priesterkönige des Sonnengottes sowohl auf der Osterinsel, in Peru, als auch im alten Ägypten aufgestellt. An allen drei Orten schnitt man Steinblöcke in Größe von Eisenbahnwaggons wie Käse und fügte sie zu stufenförmigen, nach der Sonnenbahn astronomisch orientierten Pyramiden zusammen. Alles dem gemeinsamen Stammvater Ra , der Sonne, zu Ehren? Gab es da einen Zusammenhang, oder war es nur Zufall?
    Als vor Jahrhunderten das
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