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Expedition Ra - Mit dem Sonnenboot in die Vergangenheit

Titel: Expedition Ra - Mit dem Sonnenboot in die Vergangenheit
Autoren: Thor Heyerdahl
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habe etwa 15000Jahre v.Chr. begonnen, andere behaupten mit ebenso großer Überzeugung und soliden Argumenten, dieser Zeitraum könne mindestens verdoppelt werden. In einem sind sich aber alle einig: Die Einwanderung hat oben in den arktischen Einöden stattgefunden, und nur die primitivsten Steinzeitgeräte sind bei den unorganisierten Nomaden im Gebrauch gewesen, welche die Stammväter jener zahlreichen und allmählich völlig ungleichen Volksgruppen werden sollten, die wir gewöhnlich unter dem Namen »amerikanische Indianer« zusammenfassen. Die schmale Meeresenge zwischen dem arktischen Asien und Alaska ist schwerlich jemals für die Nomaden gesperrt gewesen, und viele Funde deuten darauf hin, daß die Familienverbände weiterhin ihren Aufenthaltsort abwechselnd in Sibirien und in Alaska hatten. Die Aleutische Inselkette und der Japanstrom im Süden bildeten auch für alle eine Brücke, die über Fahrzeuge verfügten. Von Alaska im Norden bis Feuerland im Süden ließen sich heranwachsende Generationen in Iglus, Zelten, Blatthütten und Höhlen nieder, denn hier waren Natur und Klima in allen Variationen vertreten. Durch Inzucht in der Isolation, durch neue Wanderungen und Vermischung entwickelte sich in Amerika allmählich eine Reihe verschiedener Indianerstämme. Sie unterschieden sich auffallend voneinander, nicht nur im Gesichtsausdruck und Körperbau, sondern sie redeten auch in verschiedenen Sprachen und entwickelten völlig andere Lebensgewohnheiten.
    Da schließlich tauchte Kolumbus auf. Am 12. Oktober 1492 ging er mit Banner und Kreuz in San Salvador an Land, und in seinem Kielwasser kamen Cortez, Pizarro und die anderen spanischen Konquistadoren. Niemand wird Kolumbus jemals das Verdienst streitig machen können, Amerikas Tore für uns, die wir nicht über das Eis gewandert kamen, weit aufgerissen zu haben. Aber wir Europäer vergessen allzu leicht, daß ihn Tausende von Menschen an Land empfingen. Und auf dem Kontinent hinter den Inseln, auf denen er landete, gab es ein hochentwickeltes Staatswesen, das Besuch erwartete. Ihre Gelehrten erzählten den Spaniern, sie seien früher von weißen, bärtigen Männern besucht worden, die übers Meer gekommen wären und sie alle Geheimnisse der Zivilisation gelehrt hätten. Und die Ankunft der Spanier sei schon lange erwartet worden, weil die Kulturbringer ihren Vorvätern versprochen hätten, wiederzukommen.
    Und wahrhaftig wurde dieser Teil Amerikas keineswegs mehr von primitiven Jägern und Fischern bewohnt, wie jene, die ursprünglich den Weg über Sibiriens Eisöden hergefunden hatten. Im Gegenteil, in den am wenigsten anregenden Tropengegenden - gerade dort, wo der Passatwind und der gigantische Meeresstrom die Spanier an Land führten -trafen sie auf kenntnisreiche Menschen, die selbst Bücher aus Papier herstellten und Geschichte, Astronomie und Heilkunde studierten. Sie konnten nach ihrem eigenen System lesen und schreiben. Sie besaßen organisierte Schulen und wissenschaftliche Observatorien. Ihr astronomisches und geographisches Wissen war so verblüffend, daß sie die Bewegungen der Himmelskörper ganz genau errechnet hatten und sowohl die Lage des Äquators, der Ekliptik als auch der Wendekreise berechnen konnten, während sie zwischen Fixsternen und Planeten unterschieden. Ihr kompliziertes Kalendersystem war genauer als das zu Kolumbus' Zeiten in Europa bekannte, und ihre exakte Zeitrechnung begann umgerechnet mit dem Jahr 3113 v. Chr. - dem Jahre Null der Maya. Die Methode ihrer Ärzte, hochstehende Personen zu mumifizieren, ermöglichte die Erhaltung in diesem Klima. Und ebenso wie die alten Ägypter öffneten sie Schädel, nahmen chirurgische Operationen der Hirnschale vor, ohne daß der Patient starb, was europäischen Ärzten noch jahrhundertelang, nachdem Kolumbus seine Segel gehißt hatte, unbekannt blieb. Gelehrte und einfache Menschen wohnten in geplanten Stadtgemeinschaften mit gepflasterten Straßen, Wasserrinnen, Kloakensystemen, Marktplätzen, Sportplätzen, Schulen und Palästen. Die Stadtbevölkerung bewohnte weder Zelte noch Laubhütten; sie stellten ziegeiförmige Adobeblöcke aus sonnengetrocknetem Lehm und Stroh nach dem gleichen Rezept her wie in den Mittelmeerländern und bauten reguläre Häuser mit zwei oder mehreren Etagen. Bessere Gebäude besaßen Säle, deren Dächer von Säulengängen getragen wurden, und die Wände waren mit Reliefarbeiten und künstlerischen Fresken in schönen und haltbaren Farben ausgestattet. Die
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