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Expedition Ra - Mit dem Sonnenboot in die Vergangenheit

Titel: Expedition Ra - Mit dem Sonnenboot in die Vergangenheit
Autoren: Thor Heyerdahl
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kleinen Insel paddelten und sie von den Nachkommen noch älterer Seefahrer bewohnt fanden, die in die Brust der Steingiganten große Schilfboote mit Masten und Segeln ritzten. Ihre mondsichelförmigen Schilfboote wurden dort an die Mauern der ältesten Tempelstadt der Osterinsel gemalt, wo die Felsen voller Sonnensymbole und Männer mit Vogelköpfen waren, wo die Sonne Ra beobachtet und verehrt wurde, wo sich die ganze Inselbevölkerung zum jährlichen Kult
    des Vogelmanns vereinigte, bei dem man mit Hilfe winziger Schilfboote zu den Vogelinseln hinausschwamm. Dieser Brauch bestand bis zu seiner Unterdrückung durch die Missionare, die 1868 das Christentum einführten.
    Schilfboote auf der Osterinsel. Hier entwirrten sich die Gedanken. Es, war ganz deutlich. Hier war für mich der Ursprung der Schilfboote. Vielleicht endete hier in Wirklichkeit die Geschichte des Schilfbootes. Aber für mich hatte sie hier ihren Ursprung.
    Schon lange bevor ich auf die Osterinsel kam, hatte ich Schilfboote gesehen. Ich hatte sie auf dem Titicacasee in den Anden benutzt, als ich andere riesige Steinstatuen studierte, die verlassen im Gelände um den großen Binnensee standen. Die Tragfähigkeit dieser Fahrzeuge imponierte mir, man hatte sie ja dazu benutzt, gigantische Blöcke von mehreren Tonnen über den See in die Ruinenstadt Tiahuanaco zu befördern. Aber ich hatte diesen eigentümlichen Bootstyp eher als eine Kuriosität betrachtet. Wie alle, die sich in der Geschichte des Inkareiches auskennen, wußte ich, daß die Schilfboote auf dem Titicacasee nur Rudimente eines vor-kolumbischen Bootstyps waren, der an der ganzen Küste des Pazifischen Ozeans allgemein verwendet wurde, als die Spanier ins Land kamen. Ja, damals waren sie sogar im Norden bis Mexiko und Kalifornien verbreitet. Die kleinsten besaßen die Form eines krummen Elefantenstoßzahns und konnten nur einen einzigen Mann tragen, der halb auf dem Boot lag und schwamm. Die größten, welche die Spanier gesehen hatten, besaßen 12 Mann Besatzung, und zwei zusammengebunden halfen den Kolonisten, ihr Vieh auf dem Meer zu befördern. Daß diese Boote in Peru ebenso alt waren wie das Balsafloß, ja ebenso alt wie die älteste Vor-Inkakultur, wußte ich auch, denn die ersten Pyramidenerbauer in Nordperu, das Mochica-Volk, unterließen es selten, Schilfboote auf dem Meere in ihrer vielseitigen Bildkunst darzustellen.
    Als ich das Kon-Tiki-Floß baute, mußte ich mich entscheiden. Im alten Inkareich gab es drei Arten von Seefahrzeugen. Balsaflöße aus zusammengebundenen Balsastämmen, die gewöhnlich in Ecuador geschlagen wurden; Schilfboote aus Bündeln des Totora -Schilfs, das wild an Gebirgsseen wuchs und an der langen Wüstenküste des Inkareichs angebaut und künstlich bewässert wurde; und Pontonflöße aus zwei großen aufgeblasenen Schläuchen aus Seehundsfell, die pflugförmig zusammengebunden waren.
    Der letztere Typ verlor gewöhnlich bei tagelanger Benutzung im Meer Luft, so daß die Indianer nebenherschwimmen und die Schläuche in gleichmäßigen Abständen aufblasen mußten. Das erschien mir wenig verlockend. Zu dem Schilfboot hatte ich auch kein übermäßiges Vertrauen. Schilf und Stroh sind besonders biegsam und zart, in bildlicher Rede klammert man sich an beide, wenn alles andere versagt, aber in Wirklichkeit liefert man sich damit nicht freiwillig dem Meer aus. Dachte ich damals. Und alle stimmten dem zu. Wennschon, dann das Balsafloß, eine solide Plattform aus leichten Rundhölzern. Und so geschah es auch. Das Balsafloß wurde ausprobiert und für verblüffend seetüchtig befunden. Und damit war der Plan von einem Schilfboot verworfen und vergessen. Vorläufig.

2
Warum ein Schilfboot?
Die Osterinsel und Peru
    E S WAR AUF DER O STERINSEL . D IE B RANDUNG DONNERTE GEGEN DIE Ostküste. Vier alte Brüder, ihre Haut wie runzelige Tabakblätter, hüpften vom Strand in die Brandung, zwischen sich ein kleines, bananenförmiges Fahrzeug. Die Sonne spielte in den blauen Meereswellen und tauchte das Bananenboot in Gold. Die vier wendigen Alten schoben das Fahrzeug durch die Wellenkämme und sprangen mit wirbelnden Paddeln gerade rechtzeitig an Bord, um das Boot durch den Schaum einer zusammenbrechenden Sturzsee zu bringen. Flink wie ein Schaukelbrett tanzte es über die nächste Sturzsee und, indem es sich aufrichtete, über die nächste und befand sich dann auf den frei rollenden Meereswellen. Im Innern war es noch genauso trocken wie vorher, ehe die Sturzseen über
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