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Exit Mosel

Exit Mosel

Titel: Exit Mosel
Autoren: Mischa Martini
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hat.« »Ich habe Urlaub und du brauchst Hilfe.« Sie steckte sich einige klein geschnittene Karotten in den Mund. »Ich komme schon klar.«
    *
    Stadlers Tipp, über die Augen dem Gehirn mitzuteilen, was mit dem Körper geschah, schien zu wirken. Das Schwanken des Bootes bereitete Grabbe keine Übelkeit mehr.
    Er entspannte sich etwas und konnte es sogar ein wenig genießen, wie sie da mit der Strömung durch das Wasser pflügten. Am Hang auf der linken Moselseite arbeiteten Menschen zwischen den gelbblättrigen Weinstöcken. Die Sonne war herausgekommen und entschädigte sie für den nebelkalten Morgen.
    Grabbes Schultern schmerzten. Er klammerte sich schon eine ganze Weile verkrampft an das Armaturenbrett. Nun löste er die Hände davon und machte einen Schritt zurück, wobei er die Schultern abwechselnd nach vorn und hinten kreisen ließ. Hinter der Eisenbahnbrücke tauchte das Panorama von Pfalzel auf. Aus einem Ablagefach unter den Monitoren lugte der mit bunten Fischzeichnungen dekorierte Rücken des berühmt-berüchtigten Fotoalbums. Grabbe dachte mit Grausen an den Inhalt. Er versuchte sich abzulenken. Da kamen ihm die Schmerzen gerade recht. Doch als sich die Muskulatur wieder entspannte, kehrte die Fantasie zurück. Grabbe hatte noch nie einen Blick in das Album geworfen, dennoch kamen ihm immer wieder Bilder von Wasserleichen in den Sinn, die er in Wirklichkeit nie gesehen hatte. Stadlers Kollegen wurde nachgesagt, in über zwei Jahrzehnten eine ebenso umfangreiche wie makabre Sammlung angelegt zu haben. Er schaute verstohlen hinüber zu dem Schlacks hinter dem Steuer, der eine Sonnenbrille aufgesetzt hatte.
    Die riesigen Heizöl- und Treibstofftanks gaben erst die Sicht auf den dahinter liegenden Hafen frei, als sie daran vorbeigefahren waren.
    »Da, unter der Brücke, soll der brennende Wagen gestanden haben.« Stadler wies nach rechts. »Bevor er dann in die Mosel gerollt ist.«
    Grabbe sah nach oben zu der noch knapp hundert Meter entfernten Brücke und dann auf das Ufergestrüpp.
    Das Boot fuhr unter der Brücke hindurch. Grabbe wandte sich nach hinten, konnte aber die Brandstelle unter der Brücke nicht ausmachen.
    Der Schiffsmotor wurde gedrosselt. Auf der rechten Flussseite dümpelte eine kleine Plattform, die von einem flussabwärts liegenden Schlepper gehalten wurde. Als sie näher kamen, entdeckte er ein längs liegendes Schlauchboot.
    »Der Wagen soll auf den Prahm gezogen werden«, sagte Stadler. Er zog seine Jacke an, knöpfte sie mit einer Hand zu und verließ das Steuerhaus, während das Polizeiboot mit verminderter Geschwindigkeit einen weiten Bogen beschrieb und stromaufwärts an der Plattform anlegte. Nebenan vertäuten zwei Männer die Leinen des Polizeibootes, die Stadler ihnen zugeworfen hatte. Bei einer Seilwinde sah Grabbe zwei Taucher im Gespräch mit mehreren Feuerwehrkollegen stehen.
    Stadler kam zurück. »Möchten Sie die überstreifen?« Er reichte Grabbe eine orangefarbene Schwimmweste und half ihm dabei, sie festzuschnallen. Sie anzunehmen hatte Grabbe keine Sekunde gezögert.
    Der Schlacks gab das Steuer an seine Kollegin Simone weiter. Grabbe folgte Stadler, der rüber auf die Plattform sprang und ihm eine Hand reichte, die er dankbar annahm.
    Die Arbeitsplattform lag längst nicht so ruhig im Wasser, wie Grabbe angenommen hatte. Der Boden hob und senkte sich merklich. Bis zum Ufer waren es gut und gerne fünfzig Meter. Er wankte Stadler zu der Mannschaft hinterher, die an der Seilwinde versammelt war. Dort stellte ihn der Wasserschutzpolizist den Männern vor. Zwei der Leute gehörten zur Besatzung des Schleppers und bedienten auf dem Prahm die Seilwinde, während die beiden Taucher der Berufsfeuerwehr von zwei Kollegen an Bord gesichert wurden.
    Als die Taucher das Wrack mit Hebeballons gesichert hatten, konnte die Seilwinde Zentimeter um Zentimeter das Stahlseil einholen. Eine schräge Plattform wurde ausgefahren, auf der bald eine glänzend runde Form zu erkennen war, die an einen großen Fisch erinnerte. Was einer leeren Augenhöhle glich, stellte sich als der hohle Scheinwerfer des Wagens heraus. Nach und nach kam der ganze Wagen zum Vorschein. Aus den geborstenen Fenstern ergoss sich das Wasser auf die Stahlplanken. Grabbe wartete ab, bis das Wasser nur noch aus den Türrahmen und verschiedenen Öffnungen am Unterboden lief, bevor er sich dem Wagen näherte. Die Lackierung schien von dem grauen und an manchen Stellen rostfarbenen Blech komplett weggebrannt zu sein.
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