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Exit Mosel

Exit Mosel

Titel: Exit Mosel
Autoren: Mischa Martini
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wurde auf einer Schiefertafel vor der Gerüchteküche ‚Frischer Federweißer’ angeboten. Im Vorbeigehen schaute Walde durch die Fenster in das Lokal, wo sein Freund Uli bereits fleißig hinter der Theke wuselte.
    Walde bog in die Fleischstraße ein. Er fühlte sich nicht, als habe er Urlaub. Er bewegte sich weder wie ein Tourist, der im Museumsgang durch die Stadt schlenderte, noch wie ein Einheimischer, der zielbewussten Schrittes unterwegs war. Mitten in der Woche schienen hier alle etwas zu tun zu haben. Nur er war ziellos wie ein Motorradfahrer auf einer Spritztour unterwegs. Das erinnerte ihn ans Schuleschwänzen, wenn es zu früh war, um wieder nach Hause gehen zu können, er durch die Kaufhäuser lief, sich in Plattenläden herumdrückte oder stundenlang im Café vor einer nicht ganz ausgetrunkenen Cola ausharren musste.
    Walde hatte nicht bemerkt, dass er wie ein Esel, der den Weg im Schlaf kennt, in Richtung Polizeipräsidium unterwegs war. Dort hatte er in seinem Büro die Netzschnur seines Handys vergessen, der Akku seines Mobiltelefons war längst leer, er brauchte es eigentlich auch nicht.
    Über den Seiteneingang im Hof gelangte er über die hintere Treppe nach oben. Vor Gabis und Grabbes Bürotür zögerte er einen Moment und ging dann weiter. Obwohl es später Vormittag war, warfen die Fenster so wenig Licht in sein Büro, dass er die Schreibtischlampe einschaltete, als er sich nach vorn beugte und in den Schubladen kramte. Neben dem Handykabel, das er um den Stecker wickelte und in seine Jackentasche steckte, fand er das Übertragungskabel seines I-Pod. Während er überlegte, wie das hierher gekommen war, richtete er sich wieder auf und blätterte die Gewerkschaftszeitung der Polizei durch, die auf dem Schreibtisch lag. Neben einem Artikel mit der Überschrift ‚Gewalt gegen Polizeibeamten’ war auf einem Foto ein schwarz vermummter Demonstrant zu sehen, der einen behelmten Polizisten mit einem großen Stein bedrohte. Walde stützte den Kopf in beide Hände. Ob seine Kinder sich später auch einmal in gleich brutaler Weise engagieren würden …
    »Haben Sie sich gut erholt? … Herr Bock? …«
    Walde hob den Kopf. Polizeipräsident Stiermann stand vor seinem Schreibtisch.
    »Ich habe Licht in Ihrem Büro gesehen und dachte, man hätte vielleicht vergessen, es auszuschalten«, druckste sein Chef. »Haben Sie heute schon die Nachrichten von TELE Mosel gesehen?«
    »Nein«, sagte Walde, während er verstohlen auf seine Uhr sah und feststellte, dass er schon weit über eine Stunde hier sein musste. »Ich bin nicht im Dienst, also ich habe Urlaub.«
    »Ein Politiker der Linken in Trier wird vermisst.«
    »Ich habe nur was geholt … Um was geht es denn konkret.«
    »Es ist ein Stadtratskandidat. Hoffentlich steckt da nicht die Schlägertruppe der Nazis dahinter.« Stiermann ging, mit einer Hand grüßend, zur Tür. »Dann noch gute Erholung.«
    *
    Gegen elf fuhren Gabi und ihr Kollege Grabbe zum Wasser- und Schifffahrtsamt. Als sie auf die Uferstraße gelangten, schaute Gabi auf die deutlich über Normalniveau angestiegene Mosel.
    »Wenn ich bedenke, dass ich da mal mitten in der Nacht im besoffenen Kopf quer rübergeschwommen bin.«
    »An dieser Stelle?«, fragte Grabbe.
    »Nee, ein Stück abwärts hinter Zurlauben war das.« Sie verschwieg, dass es noch gar nicht so viele Jahre her war, als sie sich von einem Typen, den sie nicht einmal besonders gut kannte, zu dieser Aktion hatte überreden lassen. Oder war es sogar ihre Idee gewesen? »Das Dümmste war, wieder zurück zu schwimmen, da hab’ ich dann wirklich gedacht, ich saufe ab.« »Warum bist du nicht bis zur Brücke zurück gelaufen?«
    »Ich hatte nicht viel an.« Sie erwähnte nicht, dass sie splitternackt gewesen waren, ihre Kleider irgendwo in der Uferböschung versteckt hatten und unmöglich nackt über die Brücke hätten laufen können. Durch die Strömung waren sie so weit abgetrieben worden, dass sie noch ein gutes Stück an der Uferpromenade zurücklaufen mussten. Und dann hatten sie ihre Kleider nicht mehr gefunden. Inzwischen nüchtern, war ihr bewusst geworden, dass sie sich ohne Handy, Geld, Autoschlüssel und keinen Faden am Leib in einer ziemlich blöden Lage befand.
    »Und?«
    »Ich hab’s geschafft, sonst säße ich nicht hier.« Die Erinnerung, wie sie endlich doch noch ihre Kleidung gefunden hatten, ließ sie seufzen. »Zum Glück war Hochsommer und das Wasser ziemlich warm. Heute wollte ich da nicht
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