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Exil im Kosmos: Roman (German Edition)

Exil im Kosmos: Roman (German Edition)

Titel: Exil im Kosmos: Roman (German Edition)
Autoren: Robert Silverberg
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gewesen waren.
    Eine vergleichende Prüfung all dieser Meldungen musste natürlich ergeben haben, dass seine Positions- und Kursangaben unstimmig waren, aber er hatte sich darauf verlassen, dass er sein Ziel erreichen und verschwinden konnte, bevor sie misstrauisch wurden. Offenbar hatte er dieses Spiel gewonnen, denn niemand war ihm gefolgt.
    In der Nachbarschaft von Lemnos hatte er ein letztes Manöver zur Verwischung seiner Fährte ausgeführt, indem er sein Schiff in einer Umlaufbahn zurückgelassen hatte und mit einer Fallschirmkapsel gelandet war. Ein vorprogrammierter Sprengsatz hatte dann das Schiff zerrissen und die Fragmente ins Universum hinausgeschleudert. Selbst wenn man ein paar hundert größere Stücke irgendwo im Weltall ausmachte, was unwahrscheinlich genug war, würde es fast unüberwindliche Schwierigkeiten machen, aus Richtung und Geschwindigkeit jedes einzelnen Trümmerstücks den wahrscheinlichen Ursprungsort zu errechnen, mit Computer oder ohne. Er war überzeugt gewesen, dass niemand ihn in voraussehbarer Zeit entdecken würde, und er brauchte nur eine relativ kurze Zeitspanne – vielleicht sechzig Jahre. Er war neunundfünfzig gewesen, als er die Erde verlassen hatte. Dort wären ihm vielleicht noch siebzig Jahre beschieden gewesen, aber hier, ohne ärztlichen Beistand, angewiesen auf einen billigen Diagnostat und einen beschränkten Medikamentenvorrat, käme es einem Wunder gleich, wenn er seine elfte oder zwölfte Lebensdekade überleben würde. Fünfzig oder sechzig Jahre in Einsamkeit und ein friedlicher Tod in Abgeschiedenheit waren alles, was er noch wollte. Aber nun hatte diese Abgeschiedenheit nach nur neun Jahren eine Unterbrechung erfahren.
    Waren sie ihm wirklich irgendwie auf die Spur gekommen?
    Müller kam zu dem Schluss, dass dies nicht der Fall sein konnte. Erstens hatte er jede denkbare Vorsichtsmaßnahme getroffen, um neugierige Spürnasen von seiner Fährte abzubringen. Zweitens hatten sie kein wirkliches Motiv, ihn zu verfolgen. Er war kein flüchtiger Verbrecher, der vor Gericht gebracht werden musste. Er war einfach ein Mann mit einem ekelhaften Leiden, ein Gräuel in den Augen seiner Mitmenschen, und zweifellos war man auf Erden froh, ihn los zu sein. Er war eine Schande und ein Vorwurf für sie, ein ständig sprudelnder Quell von Schuldgefühlen, ein Stachel im planetarischen Gewissen. Die menschenfreundlichste Tat, die er für seinesgleichen tun konnte, war, sich aus der Gesellschaft der Menschen zu entfernen, und das hatte er getan, so gründlich und gewissenhaft er konnte. Sie würden kaum Anstrengungen und Kosten auf sich nehmen, eine ihnen so unangenehme Person in den letzten Winkeln des bekannten Weltalls zu suchen.
    Wer waren dann diese Eindringlinge?
    Archäologen, mutmaßte er. Die Ruinenstadt auf Lemnos übte noch immer eine fatale Faszination aus, auf Archäologen wie auf alle anderen. Müller hatte gehofft, dass die Gefahren des Labyrinths weiterhin Besucher abschrecken würden. Es war vor mehr als einem Jahrhundert entdeckt worden, aber vor seiner Ankunft hatte fast fünfzig Jahre lang kein Mensch seinen Fuß auf Lemnos gesetzt. Aus gutem Grund: Müller hatte oft die Skelette derjenigen gesehen, die tiefer in das Labyrinth hatten vordringen wollen. Er selbst war aus verschiedenen und widersprüchlichen Motiven gekommen. Eine Rolle hatte der Wunsch nach Selbstauslöschung gespielt, zumindest aber eine tiefe Gleichgültigkeit dem Tod gegenüber. Eine andere Ursache war seine Neugierde gewesen, ein gewisser Ehrgeiz, das Geheimnis des Labyrinths zu lüften. Ein weiteres Motiv hatte sich aus dem Wissen ergeben, dass er, wäre er einmal im Innern der toten Stadt, kaum mit Belästigungen und Störungen zu rechnen hätte. Nun war er hier; aber Eindringlinge waren gekommen.
    Es wird ihnen nicht gelingen, sagte er sich.
    Hier im Kern des Labyrinths, wo er sein vertrautes Quartier eingerichtet hatte, standen ihm genug Ortungsvorrichtungen zur Verfügung, dass er die Bewegungen lebender Wesen draußen mit einiger Sicherheit verfolgen konnte. So konnte er zum Beispiel die Wanderungen größerer Tiere von Zone zu Zone beobachten. In begrenztem Umfang konnte er sogar die Fallen des Labyrinths steuern, die normalerweise nicht mehr als passive Mechanismen waren, aber auch offensiv gegen irgendeinen eindringenden Feind eingesetzt werden konnten, wenn die Bedingungen dafür gegeben waren. Mehr als einmal hatte Müller elefantengroße Fleischfresser in unterirdische Gruben
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