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Ewigkeit

Ewigkeit

Titel: Ewigkeit
Autoren: Alastair Reynolds
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besprechen.«
    »Gut. Kann ich also zur vollen Stunde mit Ihnen rechnen?«
    Floyd schüttelte den zweiten Briefumschlag, der einen Stempel aus Nizza trug. Ein einzelnes, doppelt gefaltetes graues Blatt fiel auf den Schreibtisch. Er faltete es auf und sah eine handgeschriebene Nachricht in wässriger Tinte, die nur eine Spur dunkler war als das Papier, auf dem sie stand. Floyd erkannte die Handschrift sofort. Es war Gretas.
    »Monsieur Floyd?«
    Floyd ließ den Brief fallen wie ein Stück glühendes Metall. Seine Finger kribbelten. Er hatte nicht damit gerechnet, noch einmal von Greta zu hören – zumindest nicht in diesem Leben. Er brauchte einen Moment, um sich auf ihr plötzliches erneutes Eindringen in seine Welt einzustellen. Was konnte es geben, das sie ihm noch mitzuteilen hatte?
    »Monsieur Floyd? Sind Sie noch da?«
    Er klopfte mit einem Finger an die Sprechmuschel. »Sie waren einen Augenblick lang weg, Monsieur. Das sind die Ratten im Keller. Sie machen sich immer an den Telefonkabeln zu schaffen.«
    »Offensichtlich. Zur vollen Stunde also? Sind wir uns einig?«
    »Ich werde da sein«, antwortete Floyd.

 
Zwei
     
     
    Verity Auger begutachtete die unterirdische Szene aus der Sicherheit ihres Schutzanzugs. Sie stand etwa zwölf Meter vom bewegungsunfähigen Wrack des Kriechers entfernt. Die tarantelähnliche Maschine hatte schwere Schlagseite. Zwei Beine waren gebrochen und drei weitere unter der niedrigen ausgehöhlten Eisdecke verkeilt und völlig nutzlos. Der Kriecher würde sich nicht mehr von der Stelle bewegen. Es war nicht einmal möglich, ihn an die Oberfläche zurückzuschleppen – aber wenigstens war seine Lebenserhaltungsblase noch intakt. Cassandra, das Studentenmädchen, saß nach wie vor mit verschränkten Armen in der Kabine und beobachtete die Geschehnisse mit einer Art hochmütiger Distanz. Sebastian, der Junge, lag etwa fünf Meter vom Kriecher entfernt. Sein Anzug war beschädigt, aber er würde ihn immerhin so lange am Leben erhalten, bis das Rettungsteam eintraf.
    »Halt durch da drin«, sprach Auger über den Anzugfunk zu ihm. »Sie brechen durch. Schon bald werden wir zu Hause im Trockenen sein.«
    Das Knistern und Rauschen, die die Antwort des Jungen begleiteten, ließen ihn Millionen Lichtjahre entfernt erscheinen. »Mir geht es nicht besonders gut.«
    »Was hast du?«
    »Kopfschmerzen.«
    »Halt einfach still. Die Anzugsiegel machen ihren Job bestens, solange du dich nicht bewegst.«
    Auger trat einen Schritt zurück, als die Rettungskriecher vom Antiquitätenministerium über ihr auftauchten und das Eis mit kolbenbetriebenen Klauen und Hacken auseinander zwangen.
    »Bist du das, Auger?«, erklang eine Stimme in ihrem Helm.
    »Natürlich bin ich’s. Warum hast du so lange gebraucht? Ich dachte schon, ihr taucht gar nicht mehr auf.«
    »Wir sind so schnell wie möglich gekommen.« Sie erkannte Mancusos Stimme, einen der Rettungshelfer, mit dem sie schon früher zu tun gehabt hatte. »Es war nicht einfach, euch so weit unten genau zu orten. Die Wolken haben sich heute Abend offenbar um irgendwas gestritten. Wir mussten durch eine Menge elektromagnetischen Scheiß durchgucken. Was genau machst du so weit unten?«
    »Meine Arbeit«, antwortete Auger kurz angebunden.
    »Ist der Junge verletzt?«
    »Sein Anzug hat was abgekriegt.« Auf ihrem Visiermonitor sah sie nach wie vor die Diagnosezusammenfassung von Sebastians Anzug. Am rechten Ellbogengelenk pulsierten rote Schraffierungen, die Gefahr signalisierten. »Aber es ist nichts Ernstes. Ich habe ihm gesagt, dass er sich hinlegen und stillhalten soll, bis die Rettungsmannschaft eintrifft.«
    Der vorderste Kriecher spie bereits zwei Rettungshelfer aus, die die etwas lächerlichen Anzüge der Einheiten für außerordentliche Gefahren trugen. Sie rückten mit den watschelnden Schritten von Sumoringern vor.
    Auger bewegte sich zu Sebastian hinüber und ging neben ihm in die Hocke. »Sie sind da. Jetzt musst du nur noch stillhalten, dann bist du so gut wie in Sicherheit.«
    Sebastian antwortete mit einem unverständlichen Gurgeln. Auger hob die Hand und winkte einen der beiden Helfer heran. »Das ist der Junge, Mancuso. Ich glaube, ihr solltet euch zuerst um ihn kümmern.«
    »Das hatten wir ohnehin vor«, krähte eine weitere Stimme in ihrem Helm. »Tritt zurück, Auger.«
    »Seid vorsichtig mit ihm«, warnte Auger. »Er hat einen bösen Riss am rechten …«
    Mancuso stand in seinem Anzug über dem Jungen. »Ganz ruhig, Kleiner«,
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