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Ewigkeit

Ewigkeit

Titel: Ewigkeit
Autoren: Alastair Reynolds
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der Selbstmord begehen würde?«
    »Das weiß ich nicht. Aber ich weiß, dass sie Höhen nicht besonders mochte – das hat sie mir selbst gesagt – und trotzdem ist sie von einem Balkon im fünften Stock gefallen.«
    Floyd zuckte zusammen und schloss die Augen. Er dachte an den zertrümmerten Kontrabass, die Splitter auf dem Kopfsteinpflaster. Er hasste Stürze. Er hasste schon die Vorstellung eines Sturzes, ob Selbstmord oder nicht. Er nippte an seinem Brandy, um das Bild vor seinem inneren Auge fortzuspülen.
    »Wo ist die Leiche jetzt?«
    »Tot und begraben. Genau genommen wurde er ihren Wünschen entsprechend verbrannt. Sie starb vor drei Wochen, am zwanzigsten September. Wie ich gehört habe, gab es eine Autopsie, die aber nichts Verdächtiges zutage gefördert hat.«
    »Also gut.« Geistig bereitete Floyd sich bereits darauf vor, seine Notizen durchzustreichen. Dieser Fall sah nach einem Blindgänger aus. »Vielleicht ist sie schlafgewandelt. Oder etwas hat sie aufgeregt. Oder das Balkongeländer war locker. Hat die Polizei mit dem Vermieter gesprochen?«
    »Das hat sie. Zufällig bin nämlich ich der Vermieter. Ich versichere Ihnen, dass das Geländer absolut sicher war.«
    Das bringt nichts, sagte sich Floyd. Vielleicht war die Sache ein oder zwei Tage Nachforschungen wert, aber am Ende würden sie zum gleichen Schluss gelangen wie die Polizei. Das war besser als gar kein Fall, aber es würde Floyds schwere finanzielle Misere nicht beheben.
    Er legte den Füller weg und nahm stattdessen einen Brieföffner zur Hand. Er schlitzte den ersten der Umschläge auf, die er aus dem Briefkasten geholt hatte, und zum Vorschein kam eine Forderung von seinem eigenen Vermieter.
    »Monsieur Floyd – sind Sie noch dran?«
    »Ich denke nur nach«, antwortete Floyd. »Wahrscheinlich wird es schwierig sein, einen Unfall prinzipiell auszuschließen. Und ohne Hinweise auf ein Verbrechen kann ich der offiziellen Einschätzung kaum etwas hinzufügen.«
    »Hinweise auf ein Verbrechen sind genau das, was ich hier habe, Monsieur Floyd. Natürlich wollten die phantasielosen Trottel vom Quai nichts davon wissen. Von Ihnen erwarte ich deutlich mehr.«
    Floyd zerknüllte die Mietforderung zu einer Kugel und warf sie in den Papierkorb. »Können Sie mir etwas über diese Hinweise erzählen?«
    »Ich kann es persönlich tun. Ich möchte Sie bitten, mich in meiner Wohnung aufzusuchen. Heute Abend. Erlaubt das Ihr Terminplan?«
    »Ich müsste sie zwischenschieben können.« Floyd schrieb sich Blanchards Anschrift und Telefonnummer auf und machte eine Zeit mit ihm ab. »Eine Sache noch, Monsieur. Ich verstehe, warum man am Quai nicht an diesem Fall interessiert ist. Aber warum haben Sie mich angerufen?«
    »Wollen Sie damit andeuten, dass das ein Fehler war?«
    »Nein, ganz und gar nicht. Es ist nur so, dass ich die meisten meiner Fälle über persönliche Empfehlungen bekomme. Den Großteil meiner Arbeit habe ich nicht Leuten zu verdanken, die meine Nummer im Telefonbuch gefunden haben.«
    Der Mann am anderen Ende der Leitung ließ ein leises, wissendes Lachen hören. Es klang, als ob jemand Kohlen auf einen Rost schüttelte. »Das kann ich mir denken. Sie sind schließlich Amerikaner. Welcher Narr käme schon auf die Idee, in Paris die Dienste eines amerikanischen Detektivs in Anspruch zu nehmen?«
    »Ich bin Franzose«, erwiderte Floyd, während er den zweiten Umschlag öffnete.
    »Lassen Sie uns nicht über Pässe und Papiere streiten. Ihr Französisch ist tadellos – für einen Ausländer. Mehr möchte ich dazu nicht sagen. Sie sind in den Vereinigten Staaten geboren, nicht wahr?«
    »Sie wissen eine ganze Menge über mich. Woher haben Sie meinen Namen?«
    »Vom einzigen vernünftigen Polizisten, mit dem ich bei dieser ganzen Angelegenheit gesprochen habe – ein gewisser Inspektor Maillol. Ich nehme an, Sie beide kennen sich.«
    »Wir sind uns bereits begegnet. Maillol ist ein recht anständiger Kerl. Kann er nicht diesen scheinbaren Selbstmord untersuchen?«
    »Maillol sagt, dass ihm die Hände gebunden sind. Als ich erwähnte, dass die Frau Amerikanerin war, ist er von ganz allein auf Sie gekommen.«
    »Woher kam die Frau?«
    »Aus Dakota, glaube ich. Vielleicht war es auch Minnesota. Auf jeden Fall irgendwo im Norden.«
    »Ich komme aus Galveston«, sagte Floyd. »Damit liegen Welten zwischen ihr und mir.«
    »Wie dem auch sei – nehmen Sie den Fall an?«
    »Wir haben eine Verabredung, Monsieur. Dann können wir die Sache
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