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Ewig

Ewig

Titel: Ewig
Autoren: Gerd Schilddorfer , David G. L. Weiss
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nur mehr zwei dünne Striche waren. »Es war so viel Blut überall …«, setzte er noch einmal an, dann verstummte er endgültig.
    Berner tat so, als lese er in seinen Notizen.
    »Und die Kerzen …«
    Der Kommissar sah hoch, direkt in die graugrünen Augen des Geistlichen, die ihn unsicher ansahen. »Was ist mit den Kerzen? Davon haben Sie vorher nichts erzählt«, drängte er und überflog nochmals die paar Zeilen in seinem kleinen Heft.
    Pater Johannes schien plötzlich einen Kopf kleiner zu werden und in seiner Kutte zu schrumpfen. Er senkte den Kopf. »Vielleicht hat es ja nichts zu bedeuten oder es ist Zufall«, fuhr er unsicher fort. »Die noch brennenden Kerzen bildeten zwei Buchstaben – ein großes ›L‹ und ein ›I‹.«
    Berner war überrascht. »Sind Sie sicher?«, setzte er nach und schrieb gleichzeitig ein paar Worte auf die feuchte Seite, die begann, sich am Rand einzurollen.
    »Ja, ganz sicher.« Die Stimme von Pater Johannes war wieder fest. »Ich schaue immer nach den Kerzen, das ist schon ganz automatisch. Wie viele brennen und ob ich den Vorrat nachfüllen muss.« Der Pfarrer runzelte die Stirn und schaute Berner von unten her an. »Alle anderen Kerzen waren ausgelöscht, nicht heruntergebrannt. So etwas habe ich noch nie erlebt.«
    Während sie sich unterhielten, klang es, als ob ein Gewitter mit Donnergrollen und Platzregen unmittelbar bevorstünde. Die Polizisten unterbrachen ihre Unterhaltung und Berner blickte irritiert in die Richtung, von wo der Lärm immer näher kam. Über das nasse Kopfsteinpflaster jagte ein Motorrad auf die Absperrung zu, bremste knapp davor und kam mit rutschendem Hinterrad zum Stehen. Die schwere blau-weiße Suzuki GSX-R 1100 schien einer Zeitmaschine entsprungen, in makellosem Zustand trotz ihres Alters. Die von allen Sammlern gesuchte Rennversion war 1988 gebaut worden, galt als das schnellste Motorrad ihrer Zeit und war selbst zwanzig Jahre später noch immer respekteinflößend.
    Berner schloss die Augen. Heute war nicht sein Glückstag. Es war überhaupt nicht sein Tag. Hatte er es beim Anblick des Toten geahnt, spätestens jetzt wusste er es.
    Der Fahrer des Motorrads lehnte die Suzuki auf den Seitenständer, stieg ab, zog die Handschuhe aus und den Helm vom Kopf. Nachdem er beides nachlässig auf die Sitzbank gelegt hatte, blickte er sich um, bückte sich und schlüpfte unter der Absperrung durch, wo ihn die grinsenden Polizisten schon erwarteten.
    »Du bist heute aber spät dran«, meinte einer von ihnen und warf einen demonstrativen Blick auf die Kirchturmuhr. »Du wirst auch immer langsamer …«
    »Liegt nur an meiner Kaffeemaschine«, erwiderte der Motorradfahrer gut gelaunt, »die hatte heute Morgen einfach keinen Dampf, so wie ihr …«
    Während sich die Polizisten lachend wieder ihrem Fußballgespräch widmeten, schlenderte er auf den griesgrämigen Berner zu, der sein Notizheft einsteckte, den Pfarrer stehen ließ und ihm entgegeneilte.
    »Für alle Umbauten, die an diesem Motorrad nicht originalgetreu sind, könnte ich Sie verhaften lassen und heute hätte ich gute Lust, es einfach zu tun«, fuhr Berner den Mann in Jeans und Lederjacke an, der offensichtlich immun gegen die Kälte und den Nebel war. »Schon allein die Lautstärke dieses Vehikels verstößt mindestens gegen drei Paragraphen.«
    »Schlecht drauf heute, Herr Kommissar?« Es war weniger eine Frage als eine Feststellung.
    Berner verzog das Gesicht, während der Wind ihm die Haare zu Berge stehen ließ. »Ersparen Sie mir einfach Ihren Sarkasmus, Wagner. Und drehen Sie gleich wieder um, nehmen Sie Ihr Lärmgerät und verschwinden Sie in den Tiefen der Stadt!«
    Paul Wagner schüttelte den Kopf. »Keine Chance. Ich bin zu Unzeiten aufgestanden, habe den Kampf gegen die Kaffeemaschine verloren und das Prachtstück durch dieses Wetter gejagt«, meinte er und deutete auf die abgestellte Suzuki. »Jetzt will ich etwas geboten bekommen.«
    Berner steckte die Hände in die Manteltaschen, reckte den Kopf vor und seine Augen funkelten. »Ich hasse leichenfleddernde Reporter am frühen Morgen, auf nüchternen Magen und Sie ganz besonders, Wagner.«
    Die grünen Augen des Journalisten waren plötzlich von Lachfalten umringt. »Die Spurensicherung hat Sie noch nicht rein gelassen, stimmt’s? Kein Tag für Künstler und Kommissare …«
    Berner fühlte sich ertappt. »Wie auch immer, ich will Sie nicht hier haben. Unsere Pressestelle wird einen Bericht herausgeben, viel Spaß damit und
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