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Ewig sollst du schlafen

Ewig sollst du schlafen

Titel: Ewig sollst du schlafen
Autoren: Lisa Jackson
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wusste Reed es. Mit absoluter Gewissheit. Es ging einzig und allein um diesen Prozess. »Wo ist Carol Legittel begraben?«
    »Ich habe keine Ahnung.« Morrisette zuckte mit den Schultern.
    »Aber ich«, meldete sich Siebert zu Wort. »Ich habe es in der Prozessakte gelesen. Sie und ihre Kinder liegen auf dem Adams Cemetery, einem kleinen Friedhof im Osten der Stadt.«
    Mehr wollte Reed nicht wissen. »Los.« Er rannte bereits durch den strömenden Regen zu seinem Eldorado. »Uns bleibt nicht mehr viel Zeit.«
    Nikki schwitzte, ihr Puls raste wie wild. Sie musste einen Ausweg finden. Sich gegen den Sargdeckel zu pressen brachte nichts. Sie benötigte eine Waffe. Etwas, das sie benutzen konnte, um das Ding von innen aufzustemmen, aber was? Sie hatte nichts zur Verfügung, sie war schließlich nackt.
    Doch ihr Vater war bekleidet.
    Ihr Herz drohte stehen zu bleiben. Big Ron pflegte eine Pistole in einem Knöchelhalfter bei sich zu tragen. Es sei denn, der Mörder hatte sie aufgespürt.
    Nikkis Hoffnung blühte auf angesichts dieser Aussicht, so unsicher es auch war. Die Waffe zu erreichen, und zwar möglichst schnell, erschien ihr unmöglich. Doch das war ihre letzte Chance. Und die würde sie ergreifen.
    Wieder wurde auf den Sarg gehämmert. »Wach auf, Miststück!« Seine Stimme klang rau. Begierig. Sehr gut. Ehe sie auch nur einen Ton von sich gab, würde sie lieber in der Hölle schmoren. Ihre Lungen mochten bersten, aber die Befriedigung gab sie ihm nicht. Das Atmen fiel ihr unendlich schwer, regen konnte sie sich so gut wie gar nicht, und die Angst hatte sie fest im Griff. Doch sie musste versuchen, die Waffe ihres Vaters an sich zu bringen. Bitte, lieber Gott, mach, dass sie da ist, betete sie, doch sie wusste, dass dies unwahrscheinlich war. Ganz bestimmt hatte der Grabräuber die Pistole gefunden und seinem Opfer abgenommen.
    Doch immerhin blieb der Rest eines Hoffnungsschimmers, dass er sie in seiner Eile übersehen hatte. Und genau das musste sie schnellstens überprüfen.
    Mit aller Kraft presste sie sich an den Körper ihres Vaters, drückte seine Körpermasse zusammen, machte sich selbst so klein wie möglich, bemüht, Platz zu schaffen, damit sie herunterrutschen und die Knie beugen konnte.
    Der weiche Bauch ihres Vaters gab nach, und sie schauderte. Ihr Herz wollte zerspringen, ein ekliger Geschmack erfüllte ihren Mund. Sie ließ sich nach unten gleiten. Vielleicht ein paar Zentimeter. Vielleicht weniger. Doch sie konnte sich noch immer kaum rühren, und als ihre Hand an seinem Hosenbein abwärts strich und den Stoff raffte, da wusste sie, dass die Aussicht auf Erfolg sehr gering war.
    Im Grunde kaum vorhanden.
    Sie ertastete den Stiefelschaft ihres Vaters. Das war ein gutes Zeichen, oder? Vielleicht hatte der Mörder geglaubt, das Halfter wäre Teil seines Stiefels.
    Sie reckte den Arm. Mit aller Kraft. Jeder Muskel schmerzte, und dann berührten ihre Fingerspitzen das Halfter. Sie hörte eine Kette rasseln, ein Schloss klicken, dann ertönte das Summen eines kleinen Motors. Sie hatte das Gefühl, dass der Sarg von dem Karren oder dem Fahrgestell gehoben wurde, mit dem er hergeschafft worden war.
    Eine Erschütterung!
    »Hey, Nikki, hörst du mich?« Die Stimme des Mörders klang dumpf, doch die Worte waren deutlich zu verstehen und verursachten ihr eine Gänsehaut. »Wie gefällt es dir, mit deinem Vater zu schlafen? Tut weh, nicht wahr? Tut irgendwie auch weh, wenn man die eigene Familie umbringen muss, weil sie dich im Stich gelassen hat!« Sie antwortete nicht. Ihr war übel. Sie sah den Grabräuber nicht mehr als grauenhaftes, besessenes Ungeheuer, für das sie ihn lange Zeit gehalten hatte, sondern so, wie er vor zwölf Jahren gewesen war, damals im Gerichtssaal, in diesem schwierigen Alter. Schlaksig und picklig saß Joey Legittel aschfahl und offenbar zu Tode verängstigt da, von Chevalier misshandelt, zu grauenhaften Taten gezwungen. Und dann hatte das Gericht ihn aufgefordert, darüber zu berichten.
    Jetzt, mit gehöriger Verspätung, begriff sie, dass er zum Mörder geworden war. Er hatte Mutter, Schwester und Bruder umgebracht. Hatte sich selbst verletzt, derart geschickt, dass niemand ihn verdächtigte. Und dann hatte er die Mordwaffe verschwinden lassen und Chevalier mithilfe von dessen Arbeitsschuhen ins Zentrum des Verdachts gerückt. Jetzt war er wie von Sinnen. Zweifellos, weil sein Peiniger wieder auf freiem Fuß war. »Hey! Bist du wach? Verdammt, du hast es damals beinahe verpatzt,
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