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Ewig Böse

Ewig Böse

Titel: Ewig Böse
Autoren: Christopher Ransom
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leuchtende Quadrate aus weißem Licht auf sein Gesicht und das speckige Sofa warfen, auf dem er wie ein kleines übergewichtiges Mannequin posierte. Anschließend kamen Krimiserien und große heroische Dramen, und um Punkt zehn war Bettzeit.
    Anfangs fand ich etwas Tröstliches an seiner Isolation, eine Erinnerung, dass ich nicht unbedingt die einsamste Seele in diesem Winkel der Stadt war. Aber am Ende beobachtete ich ihn mit nagender Hoffnungslosigkeit und wurde mir der Tatsache überdeutlich bewusst, dass mein Schicksal, wenn ich so weitermachte, bald dem seinen gleichen würde.
    An jenem Abend, nur zwei Wochen vor Staceys einjährigem Todestag, richtete ich das Fernglas auf die üblichen Verdächtigen, aber es gab wenig Unterhaltsames zu sehen. Die Luft war kühl für März, und es roch nach Regen.
    Ich schlüpfte ins Haus zurück und ging die Treppe hinunter, um mir noch ein Bier aus dem Kühlschrank zu holen. Am Treppenabsatz lag ein Läufer mit Blumenmuster. Auf Augenhöhe befand sich ein rundes Bullauge, das nach Osten zeigte. Durch dieses Fenster gab es nicht viel zu sehen, außer den wild wuchernden Wacholderbüschen, die Mr Ennis jämmerliches Anwesen zu überrennen drohten und, so mein Verdacht, jeden Sommer meine Allergien anheizten.
    Als ich an dem Fenster vorbeikam, schwamm ein bleiches Gesicht mit einem riesigen, weit aufgerissenen Maul vor der Scheibe vorbei. Ich erschrak und fuhr herum, so, wie wenn einen jemand auf der Straße anrempelt. Es war mein Gesicht! Nur eine Reflexion, geschaffen vom Lüster in der Diele unter mir und der Dunkelheit, die von außen gegen das Haus drückte. Ich atmete tief durch und lockerte die Schultern, bevor ich weiterging.
    Ich hatte gar nicht gegähnt, fiel mir ein. Das Gesicht im Bild jedoch schon, entweder das, oder seine Kiefer waren drohend aufgerissen. Außerdem hatte eine Welle blonden Haars über dem bleichen Gesicht gelegen. Ich habe dunkelbraunes, struppiges Haar, und es fällt mir nicht in die Stirn.
    Solche Brüche in der Realität machen einem Durchschnittssäufer nicht viel aus. Wir sehen Flecken vor den Augen, einstürzende Türrahmen. Damals war ich irgendwie darauf konditioniert, neue Gelegenheiten zum Spionieren zu erspüren, immer auf der Suche nach einem Spalt im Vorhang, einer lockenden Gestalt, die an einem schmalen Fenster vorbeihuscht. Wie auch immer, ich fühlte den unwiderstehlichen Drang, mein Gesicht gegen die Scheibe zu drücken, die Augen mit den Händen zu beschatten, um das Licht hinter mir auszublenden, während ich in die anbrandende Dunkelheit hinausspähte.
    Ich sah Mr Ennis’ Wacholderbüsche wie eine lange, gezackte Mauer an der Seite seines Hauses. Über ihnen, ein Stück weiter hinten, war ein Mattglasfenster mit rostigen Jalousien. Das musste das Badezimmer sein. Aber wenn ich mir den Hals nach links verrenkte, in Richtung von Einfahrt und Vorgarten, konnte ich auch sein Wohnzimmer und die Küche sehen.
    Im Licht der alten Leuchtstoffröhre in der Küche glänzten die gelben Formica-Arbeitsflächen wie Butter im Zeichentrickfilm. Neben dem braunen Kühlschrank mit Klinkengriff und einem Edelstahltoaster war eine Leiste mit Holzhaken angebracht, an denen rot-weiß karierte Geschirrtücher hingen. Ich konnte den Küchentisch nicht sehen, aber es musste einer da sein, sonst hätte die Vase voller Blumen mitten in der Luft geschwebt. Sie war aus Kristall und mit einer Art Veilchenarrangement bestückt. Ich dachte gerade, dass es für den müden alten Mr Ennis ungewöhnlich war, sich frische Blumen in die Küche zu stellen, als sich eine bleiche Hand ins Blickfeld schob und den Strauß mit der Faust umklammerte. Eine lange, gerade Klinge stieß schlitzend vor, und die Blütenköpfe der Veilchen purzelten herunter. Ich hatte das Gefühl, die Perspektive veränderte sich, obwohl das gar nicht möglich war. Es fühlte sich nur so an, als würde ich den Blick senken, während da eine Frau kauerte und zu mir heraufsah. Ihr Gesicht war verquollen, die Züge verschwommen, die Haut wächsern, von der Farbe von Ziegenkäse. Aber ich kannte das platinblonde, schulterlange Haar, das in einer unregelmäßigen, nach außen geformten Welle endete. Ich erkannte die undeutlichen eisblauen Teiche, wo ihre Augen hätten sein sollen, und sie fanden mich. Aus der Ecke von Mr Ennis’ Küche, quer durch sein abgedunkeltes Wohnzimmer, durch seine Fenster hindurch bis herauf zu unserem kleinen Bullauge, starrte Stacey mich an.
    Ich keuchte auf, und als
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