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Evil

Evil

Titel: Evil
Autoren: Jack Ketchum
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deren endlos übereinander gehäufte Bedeutungsschichten letztlich nur auf ein völliges Fehlen von Bedeutung verwiesen, Filme, in denen sich Schauspieler mit Pappkartongesichtern völlig emotionslos durch surreale Albtraumlandschaften treiben ließen.«
    Für mich ergibt sich die Qualität von Evil letztlich aus der Tatsache, dass ich David als gültigen Teil meiner Weltauffassung akzeptiert habe – genauso gültig und in mancher Hinsicht auch unliebsam wie der psychotische Sheriff Lou Ford, der sich lachend, prügelnd und mordend seinen Weg durch die Seiten von Jim Thompsons Der Mörder in mir bahnt.
    Natürlich ist David viel anständiger als Lou Ford.
    Das macht ihn auch so schrecklich.
     
    Jack Ketchum ist ein brillanter, bewegender Romanautor, mit dessen düsterer Auffassung der menschlichen Natur wahrscheinlich nur Frank Norris und Malcolm Lowry wetteifern können. Seinem Publikum wurde er als Schöpfer spannender Reißer präsentiert (die Warner-Taschenbuchausgabe von Evil erschien mit einer dürren Cheerleaderin als Titelbild, die rein gar nichts mit der Handlung zu tun hat; das Buch sieht aus wie ein Schinken von V. C. Andrews oder ein Kindergruselroman von R. L. Stine). Und seine Bücher sind tatsächlich spannend und mitreißend, aber die Titelbilder und Werbetexte geben genauso ein Zerrbild von ihm, wie dies bei Jim Thompsons Romanen der Fall war. Evil besitzt eine Lebensnähe, die kein Roman von V. C. Andrews je hatte und die für die meisten Werke der Unterhaltungsliteratur unerreichbar bleibt; das Buch verheißt den Schrecken nicht nur, sondern löst sein Versprechen auch ein. Aber es ist auch ein Reißer, daran kann kein Zweifel bestehen. Der Leser wird mitgerissen, selbst wenn er sich davor fürchtet, mitgerissen zu werden. Ketchums thematischer Ehrgeiz ist groß, hält sich jedoch im Hintergrund und behindert nicht die Hauptaufgabe eines Romanciers, die darin besteht, den Leser mit allen Mitteln in seinen Bann zu ziehen, seien sie fair oder fies. Bei Ketchum sind die Mittel meistens fies … doch dafür funktionieren sie umso besser.
    Evil ist weit entfernt von dem dümmlichen Schmalz in Die Liebenden von Cedar Bend oder den harmlos heroischen Faxen in Der Regenmacher, und das ist vielleicht auch der Grund, warum Leute, die ihre Lektüre auf die Bestsellerlisten der New York Times beschränken, keine Ahnung von Ketchum haben. Dennoch scheint es mir, dass unsere literarische Erfahrung ärmer wäre ohne ihn. Er ist ein echter Bilderstürmer, ein wirklich guter Schriftsteller, einer der wenigen außerhalb des Kreises von Auserwählten, die tatsächlich wichtig sind, Jim Thompsons Bücher haben immer wieder neue Leser gefunden, lange nachdem der Kreis von Auserwählten seiner Zeit in Vergessenheit geraten war. Ganz bestimmt wird das auch bei Jack Ketchum der Fall sein – nur wünsche ich mir, dass das im Gegensatz zu Thompson noch vor seinem Tod passiert. Eine Ausgabe wie diese, die sicherlich Aufsehen erregen wird, ist ein Schritt in die richtige Richtung.
     
    Bangor, Maine
    24. Juni 1995
     

 
     
     
     
     
    You got to tell me brave captain
    Why are the wicked so strong?
    How do the angels get to sleep
    When the devil leaves the porch light on?
     
    – Tom Waits
     
     
    I never want to hear the screams
    Of the teenage girls in other people's dreams
     
    – The Specials
     
     
    Eine Seele unter der Last der Sünde
    kann nicht fliehen
     
    – Iris Murdoch
    The Unicorn
     

 
     
     
     
     
     
     
     
     

TEIL EINS
     

1
    Ihr glaubt, ihr wisst, was Schmerz ist?
    Fragt meine zweite Frau. Sie weiß es. Oder glaubt es zumindest.
    Als sie neunzehn oder zwanzig war, ist sie zwischen zwei kämpfende Katzen geraten – die eine gehörte ihr, die andere einem Nachbarn. Eine ging auf sie los, kletterte an ihr hoch wie an einem Baum und riss ihr dabei tiefe Wunden an Schenkeln, Bauch und Brüsten. Die Narben sieht man heute noch. Sie erschrak dermaßen, dass sie nach hinten gegen das antike Buffet ihrer Mutter knallte, die gute Kuchenplatte aus Keramik zerbrach und sich fünfzehn Zentimeter Haut von den Rippen schürfte, während sich die fauchende Katze mit Zähnen und Klauen wieder einen Weg an ihr herunterbahnte. Mit sechsunddreißig Stichen mussten sie sie zusammennähen, hat sie erzählt. Und mehrere Tage lag sie mit Fieber im Bett.
    Das ist Schmerz, meint meine zweite Frau.
    Sie hat nicht die geringste Ahnung.
     
    Evelyn, meine erste Frau, ist der Sache vielleicht schon ein Stück näher
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