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Evil

Evil

Titel: Evil
Autoren: Jack Ketchum
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allerdings nicht der Humor, sondern der Horror. Wie Jim Thompson vor ihm (siehe die Bücher Grifters und Der Mörder in mir, die beide fast von Jack Ketchum stammen könnten) fasziniert ihn das existentielle Grauen des Lebens, eine Welt, in der ein Mädchen gnadenlos gefoltert wird, und zwar nicht nur von einer psychotischen Frau, sondern von einer ganzen Nachbarschaft; eine Welt, in der sogar der Held zu unentschlossen, zu schwach und innerlich zu zerrissen ist, um das Unheil abzuwenden.
     
    Evil ist ein eher kurzes Buch. Dennoch ist es ein ambitioniertes Werk mit Tiefgang. Im Grunde finde ich das gar nicht so überraschend. Abgesehen von Lyrik war der Spannungsroman in den Jahren nach Vietnam für Amerika die fruchtbarste Form des schöpferischen Ausdrucks (künstlerisch gesehen waren es keine besonders guten Jahre; zum größten Teil war die Entwicklung in der Kunst genauso erbärmlich wie in den Bereichen Politik und Sex). Wahrscheinlich ist es immer einfacher, gute Kunst zu produzieren, wenn es weniger kritische Zuschauer gibt. Für den amerikanischen Spannungsroman gilt dies schon seit McTeague von Frank Norris – ein weiterer Roman, der von Jack Ketchum stammen könnte (allerdings hätte Ketchums Fassung bestimmt viel von dem ermüdenden Gerede weggelassen und wäre deutlich kürzer geworden).
    Evil beginnt als eine Art Archetyp der fünfziger Jahre. Wie bei fast allen solchen Geschichten (man denke an Der Fänger im Roggen, Ein anderer Frieden, meine eigene Erzählung Die Leiche) ist der Erzähler ein Junge, und das Buch beginnt (nach einem Kapitel, das eine Art Prolog ist) in wunderbarer Huck-Finn-Manier: Ein barfüßiger Junge mit braun gebrannten Wangen liegt in der Sommersonne auf einem Bachstein und fängt mit einer Blechbüchse Flusskrebse. Dort findet ihn die hübsche Meg mit Pferdeschwanz, die vierzehn und natürlich neu im Ort ist. Sie und ihre jüngere Schwester Susan wohnen bei Ruth, einer alleinerziehenden Mutter mit drei Jungs. Einer dieser Jungs ist (natürlich) Davids bester Freund. Zusammen verbringt die ganze Horde Kinder die Abende in Ruth Chandlers Wohnzimmer vor dem Fernseher und schaut sich Komödien wie Vater ist der Beste und Westernserien wie Cheyenne an. Mit sparsamer Präzision ruft Ketchum die Erinnerung an die fünfziger Jahre wach: die Musik, die Isolation des Vorstadtlebens, die durch den Bunker im Keller der Chandlers symbolisierten Ängste. Dann packt er diese erlesen blöde Vorstellung einer idyllischen Vergangenheit und zerpflückt sie mit atemberaubender Leichtigkeit.
    Zum einen ist der Vater in der Familie des jungen David sicherlich nicht der Beste, sondern ein zwanghafter Schürzenjäger, dessen Ehe an einem seidenen Faden hängt. Und David weiß das auch. »Mein Vater hatte viele Gelegenheiten zu Affären, die er auch nutzte«, berichtet er. »Er traf sie spät, und er traf sie früh.« Es ist nur ein leichter ironischer Peitschenschlag, aber die Spitze ist mit Schrot beschwert; man hat schon weitergelesen, bevor man merkt, dass es ein wenig brennt.
    Meg und Susan sind im Haus der Chandlers gestrandet, weil ihre Eltern bei einem Autounfall ums Leben gekommen sind (irgendjemand sollte mal einen Aufsatz schreiben über den allzeit beliebten Autounfall und seine Auswirkungen auf die amerikanische Literatur). Zunächst hat es den Anschein, als würden sie sich gut einleben bei Ruths Jungs – Woofer, Donny und Willie junior – und bei Ruth selbst, einer unbekümmerten Frau, die gern Geschichten erzählt, viel raucht und anderen Jungs schon mal ein Bier aus dem Kühlschrank anbietet, wenn sie versprechen, dass sie es nicht ihren Eltern verraten.
    Ketchum hat schöne Dialoge zu bieten und gibt Ruth eine wunderbar kantige Stimme, die für den Leser einen leicht kratzigen Nachhall bekommt. »Merkt euch eins, Jungs«, sagt sie an einer Stelle. »Das ist wichtig. Bei einer Frau müsst ihr nur immer nett sein – dann tut sie euch jeden Gefallen … Davy war nett zu Meg und hat dafür ein Bild gekriegt … Mädels sind einfach gestrickt … Ihr müsst ihnen nur ein bisschen was versprechen, dann geben sie euch fast immer, was ihr wollt.«
    Das ideale heilsame Umfeld und die ideale erwachsene Autoritätsfigur für zwei traumatisierte Mädchen, möchte man meinen … nur dass wir es hier mit Jack Ketchum zu tun haben, und bei Jack Ketchum läuft die Sache nicht so. Ist noch nie so gelaufen und wird wahrscheinlich auch nie so laufen.
    Ruth mag nach außen hin so fröhlich
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