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Evil - Das Böse

Evil - Das Böse

Titel: Evil - Das Böse
Autoren: Jan Guillou
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zur Freiheit!
    Doch plötzlich fiel ihm etwas ein und er ging zurück und klopfte an die offene Tür.
    »Du …?«, fragte der Rektor erstaunt.
    »Ja, ich habe etwas vergessen. Den Brief. In dem Brief steht ihre Adresse.«
    »Ich sag dir jetzt zum letzten Mal, dass du verschwinden sollst«, sagte der Rektor zunächst gelassen. »Dieser Brief ist beschlagnahmt und jetzt will ich dich nicht mehr sehen! Ehe du dich vollständig unglücklich machst, du Bengel!«
    Auch das war noch nicht das Ende.
    Nach dem Morgengebet am nächsten Tag trat der Rektor auf das Podium und schrie, Erik solle vortreten. Dann hielt der Rektor eine zehn Minuten lange Strafpredigt, die Erik vor allem als rotes Rauschen in seinen Ohren wahrnahm. Nur eine einzige Formulierung prägte sich für immer seinem Gedächtnis ein:
    »ES SCHICKT SICH NICHT FÜR STJÄRNSBERGKNABEN, MIT DER ARBEITERJUGEND ZU FRATERNISIEREN!«
    Zwei Tage darauf traf ein eingeschriebener Expressbrief von Anwalt Ekengren ein. Wäre er nicht eingeschrieben und mit Eilboten gekommen und hätte er nicht auf der Rückseite ein rotes Lacksiegel gehabt, dann hätte Erik wohl nur mit dem üblichen Gezeter über die viel zu hohen Ausgaben im Schulladen gerechnet. Aber dieser Brief hatte wirklich einen überraschenden Inhalt:.
    Erik, als dein juristischer Vertreter und Berater will ich mich im Folgenden ausschließlich auf die Begebenheiten beschränken, die rein juristisch sozusagen von Bedeutung sind. Ich habe mit anderen Worten keinerlei private Ansichten, was deinen Umgang mit dem Servierpersonal angeht. Da es zudem nicht ganz sicher erscheint, dass Post nach Stjärnsberg ihren richtigen Adressaten erreicht, besteht umso mehr Grund, sich eher private Ansichten für eine passendere Gelegenheit aufzusparen.
    Den Schulregeln zufolge, die ich als dein Anwalt, wenn auch stellenweise ohne Begeisterung, akzeptiert habe, gilt sexueller Umgang mit dem Personal als Vergehen, das normalerweise nur durch einen Schulverweis geahndet werden kann.
    Aber die Regeln sind in diesem Punkt durchaus nicht eindeutig formuliert. In der Schulordnung ist von nächtlichen Besuchen im Speisesaal-Gebäude die Rede, so, als sei das das eigentliche Vergehen. Man kann also einerseits anführen, dass dir dieser konkrete Verstoß gegen die Regeln nicht zur Last gelegt werden kann. Andererseits hat die junge Dame sich in ihrem Brief offenbar so erklärt, dass in Bezug auf den Charakter der Tat keinerlei Zweifel möglich sind.
    Bei unserem Gespräch über diesen Fall vertrat Rektor L. anfangs die Ansicht, ein Schulverweis sei unter gar keinen Umständen zu vermeiden. Er führte außerdem noch etliche andere Punkte an, bei denen es generell um den Verdacht der Misshandlung von Mitgliedern des schuleigenen Vertrauensrates ging. In dieser Hinsicht war die Beweislage jedoch offenbar so, dass eine Bestrafung nicht infrage kam. Ich möchte dich aber unbedingt auf diesen Umstand aufmerksam machen, darauf also, dass hier gewisse konkrete Verdachtsmomente vorliegen, und rate dir dringend, keine weiteren Verdächtigungen zu provozieren.
    Was nun deinen angeblichen sexuellen Umgang mit dem Personal angeht, so ist es hier von besonderer Bedeutung, dass die Schulleitung sich über diesen Sachverhalt in einer Weise Kenntnis verschafft hat, die nur als Verletzung deiner Privatsphäre angesehen werden kann. Es ist ein solches Vorgehen zweifellos ungesetzlich (es kämen hier bestimmte Paragrafen des Postgesetzes in Betracht).
    Ich konnte mir als dein Anwalt also erlauben, unverzüglich und ohne vorherige Absprache mit dir Stellung zu der Angelegenheit zu beziehen.
    Für den Fall eines Schulverweises habe ich eine Klage gegen die Schule angekündigt. Rein formal kann es bei einer solchen Klage nur um die Rückzahlung von Unkosten, Schadensersatz usw. gehen (was kaum bedeutende Beträge ergeben würde), aber das ist es auch nicht, was der Schule in dieser Hinsicht Sorgen macht.
    Wie ich Herrn Rektor L. hoffentlich überzeugend bedeutet habe, würde ich es zu Beginn eines eventuellen Prozesses meinen Gewährsleuten von der Presse kaum verschweigen können, dass hier ein junger Mann nur deshalb drakonischen Strafen unterworfen würde, weil er eine Liebesbeziehung zu einem anderen jungen Menschen eingegangen ist - wahrlich eine kleine Sünde.
    Rektor L. zeigte großes Verständnis für diese Überlegungen.
    Da du ohnehin die Schule bald verlassen wirst, konnte ich zu einer Einigung gelangen, über die du vermutlich schon informiert
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