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Evernight Bd.1 Evernight

Evernight Bd.1 Evernight

Titel: Evernight Bd.1 Evernight
Autoren: Claudia Gray
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Aber mir fiel nichts anderes ein, als dass Lucas’ Geschichte definitiv weitaus spannender als meine eigene war. »Oder ging es um ein Mädchen?«
    »Da hätte er sich aber beeilen müssen, um in den ersten Tagen an der Schule ein Mädchen kennenzulernen.« Lucas machte eine Pause, als ob ihm gerade eingefallen wäre, dass es auch für ihn der erste Schultag war und er bereits mit mir Bekanntschaft gemacht hatte. Ich spürte ein Ziehen, als ob mich etwas buchstäblich drängte, mich zu ihm zu beugen. Aber da wandte Lucas seinen Kopf ab und starrte zu den Türmen von Evernight hinüber, die gerade eben noch durch die Äste und Zweige der Kiefern zu erkennen waren. Es wirkte, als ob das Gebäude selbst ihn beleidigt hätte.
    »Es ist alles Mögliche denkbar. Damals haben sie sich alle naselang duelliert. Unsere Familienlegende besagt, dass der andere Kerl angefangen hat. Das Entscheidende ist, dass er zwar überlebt hat, nicht jedoch, ohne eine der Buntglasscheiben in der Eingangshalle zu zerschmettern.«
    »Na klar. Da gibt es ein Fenster aus einfachem Glas, und ich habe nie verstanden, warum.«
    »Jetzt weißt du es. Evernight ist seitdem eng mit meiner Familie verbunden gewesen.«
    »Bis jetzt.«
    »Bis jetzt«, stimmte er zu. »Und mir macht das nichts aus. Ich glaube, ich kann hier eine Menge lernen. Was nicht heißt, dass ich hier alles mögen muss.«
    »Ich bin mir nicht sicher, ob ich überhaupt irgendetwas hier mag«, gestand ich. Außer dich , fügte die Stimme in meinem Kopf hinzu, die plötzlich ganz verflucht mutig geworden war.
    Lucas schien diese Stimme hören zu können. In der Art und Weise, wie er mich ansah, lag etwas Wissendes. Mit seinen markanten Gesichtszügen und der Schuluniform hätte er wie ein typischer amerikanischer Junge aussehen sollen, aber so war es nicht. Während der Verfolgungsjagd und in den Augenblicken danach, als er glaubte, wir würden um unser Leben kämpfen, hatte ich etwas Wildes unter der Oberfläche hervorblitzen sehen. Er sagte: »Ich mag die Gargoyles, die Berge und die frische Luft. Das ist bislang alles.«
    »Du magst die Gargoyles?«
    »Mir gefällt es, wenn die Monster kleiner als ich sind.«
    »So habe ich es noch nie gesehen.«
    Wir waren an der Grenze zum Schulgelände angekommen. Die Sonne war jetzt voll aufgegangen, und ich spürte, wie die Schule aufwachte und sich darauf vorbereitete, die Schüler in Empfang zu nehmen und sie durch den gewölbten, steinernen Eingang zu verschlucken.
    »Ich hasse dies alles.«
    »Es ist noch nicht zu spät wegzulaufen, Bianca«, sagte er leichthin.
    »Ich will nicht weglaufen. Ich will nur nicht von all diesen Fremden umgeben sein. Vor Menschen, die ich nicht kenne, kann ich mich nie normal benehmen, und zwar so, wie ich eigentlich bin - warum lächelst du?«
    »Ich hab den Eindruck, du weißt ganz gut, wie du mit mir sprechen musst.«
    Ich blinzelte und war von mir selbst überrascht. Lucas hatte recht. Wie war das möglich? Ich stammelte: »Bei dir… Ich schätze… Ich denke, du hast mir so einen Schrecken eingejagt, dass ich jetzt überhaupt keine Angst mehr habe.«
    »Hey, wenn das klappt…«
    »Ja.« Aber ich spürte bereits, dass es da noch andere Gründe gab. Vor Fremden hatte ich immer noch Angst, aber er war kein Fremder mehr. Und so war es bereits vom allerersten Augenblick an gewesen, als ich begriffen hatte, dass er versuchte, mir das Leben zu retten. Ich hatte das Gefühl, als ob ich Lucas schon immer gekannt hätte, als ob ich schon jahrelang darauf gewartet hätte, dass er kommt. »Ich sollte zurückgehen, ehe meine Eltern bemerken, dass ich verschwunden bin.«
    »Lass dich nicht von ihnen ärgern.«
    »Das werden sie schon nicht tun.«
    Lucas schien nicht richtig überzeugt, aber er nickte, als er einen Schritt von mir weg machte und sich in die Schatten drängte, während ich ins Licht trat. »Wir sehen uns dann dort.«
    Ich hob eine Hand, um ihm zum Abschied zuzuwinken, aber Lucas war schon nicht mehr da. In Sekundenbruchteilen war er im Wald verschwunden.

2
     
     
     
     
    Mir war von dem Adrenalinstoß noch immer ganz zittrig zumute, als ich die lange Wendeltreppe zur obersten Wohnung im Turm hinaufstieg. Dieses Mal machte ich mir nicht die Mühe, leise zu sein. Ich ließ meine Umhängetasche von der Schulter gleiten und warf mich aufs Sofa. Noch immer hatte ich einige Blätter in meinen Haaren, die ich nun abzupfte.
    »Bianca?« Meine Mutter kam aus dem Schlafzimmer und verknotete dabei die
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