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Evernight Bd. 4 Gefährtin der Morgenröte

Evernight Bd. 4 Gefährtin der Morgenröte

Titel: Evernight Bd. 4 Gefährtin der Morgenröte
Autoren: Claudia Gray
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spürte den Schmerz ebenso, wie jede Verletzung zu Lebzeiten wehgetan hatte, doch ich blieb unbeirrbar.
    Blut floss durch Lucas’ Kehle. Was ihn hätte verbrennen sollen, rann nun ungehindert hinab, weil ich sein Blut und mein Blut vermischt hatte. In diesem Augenblick konnte ihm die zersetzende Kraft des Geisterblutes nichts mehr anhaben. Es stand ihm frei, davon zu trinken. Frei, das Leben in sich aufzusaugen.
    Ich spürte, wie mir immer schwindliger wurde, während sich die Verbindung zwischen uns verstärkte. Wir waren nun ein System. Ein Wesen, jeder von uns strömte in den anderen hinein. Während ich es zuließ, spürte ich Lucas’ Körper ebenso wie meinen eigenen: Die klaffenden Wunden an der Stirn und in der Brust brannten, und der Schnee unter uns war eisig. Und ich spürte seine wachsende Verwunderung, als er zu fühlen begann, wie es war, ich zu sein, und als er meine Glieder spürte, den Geschmack seines eigenen Blutes wahrnahm und die Nähe meiner Seele bemerkte.
    Das Blut, das ich trank, wurde langsam wärmer.
    Ist es so, wenn man stirbt ?, dachte Lucas. Denn ich habe keine Angst mehr. Nicht, wenn der Tod bedeutet, dir endlich so nah zu sein.
    Ich konzentrierte meine ganze Energie auf ihn, drang in sein innerstes Mark vor, in das Rot seines Herzens. Dies ist nicht der Tod. Es ist das Leben .
    Lucas sog scharf die Luft ein, und ich setzte mich auf. Ich konnte sein klebriges Blut auf meinem Mund spüren, und auch er sah noch besudelter als zuvor aus, doch seine Augen waren weit aufgerissen. Er atmete ganz tief ein und dann nochmals.
    »Was hast du getan?«, fragte Balthazar.
    Raquel beugte sich um Dana herum zu mir und ergänzte: »Ja, war das eine Vampirversion der Mund-zu-Mund-Beatmung?«
    Ich ließ meinen Blick keine Sekunde von Lucas. Die Wunden in seinem Gesicht schlossen sich bereits wieder, schneller noch, als die Heilkräfte eines Vampirs es vermocht hätten, und dies war ein Teil seiner endgültigen Wiedererweckung. Er starrte mich an, offenbar geschwächt von den Verletzungen, aber mit einem ungläubigen Lächeln auf dem Gesicht.
    »Das ist unmöglich.«
    »Das ist es nicht.« Ich fing an, vor reiner, unverfälschter Freude laut zu lachen. »Es ist wahr.«
    »Deine Wunden verheilen unglaublich schnell, aber du blutest immer noch.« Vic streckte ihm einen Stofffetzen entgegen.
    »Er blutet«, sagte Balthazar, und seine Stimme hatte einen seltsamen Unterton. Er hatte bereits verstanden, was niemand sonst bemerkt hatte. »Bianca, du hast es geschafft.«
    »Was denn?«, fragte Dana.
    Ich schloss Lucas fest in die Arme. Dieses Mal erwiderte er die Umarmung, und sie war warm.
    »Ich bin am Leben«, flüsterte Lucas. »Bianca hat mich zurück ins Leben geholt.«
    Alle von uns begannen, vor Staunen, Verwirrung oder Freude durcheinanderzurufen. Dana machte sogar einen Luftsprung, die Hände über dem Kopf – das Siegeszeichen.
    Ich beachtete die anderen kaum. Später würde noch genügend Zeit für Erklärungen und Feiern sein. Ich wollte im Augenblick nichts anderes, als in Lucas’ Armen zu liegen, mein Kopf auf seiner Brust, und dem Pochen seines Herzens zu lauschen.
    Während der nächsten Stunden tauchte ein Katastrophenkommando auf: Polizeiautos, Rettungswagen und ein Löschzug fuhren vor, obwohl von Mrs. Bethanys Kutschhaus nichts mehr übrig war als schwelender Schutt. Meine Eltern hatten eine Telefonleitung entdeckt, die nach der großen Kälte und dem plötzlichen Tauen noch intakt war, und hatten die 911 gewählt.
    »Die Schule ist am Ende«, hatte meine Mutter vorher festgestellt, und Ranulf hatte einige Vampirkörper ins Feuer geschleppt, damit die Szenerie etwas weniger merkwürdig wirkte, wenn die Gesetzeshüter eintreffen würden. »Ohne Mrs. Bethany gibt es keine Evernight-Akademie. Die menschlichen Schüler werden zu ihren Familien zurückkehren müssen.«
    »Was wird dann aus diesem Ort werden?«, fragte ich und ließ meinen Blick nachdenklich über die mächtigen Steintürme gleiten, die sich vor dem Himmel und den dunklen Schneewolken abhoben.
    »Vielleicht der Herrensitz eines Millionärs. Oder der Staat verwandelt Evernight in etwas anderes – zum Beispiel in eine Zuflucht für Menschen in Schwierigkeiten. Oder in eine andere Schule.« Mom lächelte Dad liebevoll an. »Ein Glück, dass wir nie unser Haus in Arrowwood verkauft haben, was?«
    »Wir können nicht zurückkehren«, berichtigte er sie sanft. »Die Menschen, die sich an uns erinnern, werden merken, dass wir zu jung
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