Everlight: Das Buch der Unsterblichen. Roman (German Edition)
befestigt, auf dessen Rückseite »JÄHRLICHER BRUSTKREBSLAUF DER BERKELEY HIGH SCHOOL 2010« eingraviert ist. Gänsehaut überzieht meine Arme, als mir wieder einfällt, wo ich es zuerst gesehen habe: Kailey hat es getragen, als sie starb. Ich untersuche die blasse Linie an meinem Handgelenk, wo einst das Armband war. Es muss während des Unfalls abgefallen sein, und als Cyrus die Kreuzung untersucht hat, an der laut Polizeibericht ein Auto gestohlen wurde und ein Mädchen in einen Autounfall verwickelt war, hat er es gefunden, wahrscheinlich im Gras am Straßenrand. Eine schmale weiße Linie, eine Straße auf einer Karte, die Cyrus direkt zu mir führt.
Nein, nicht ganz. Ich nehme das Jahrbuch und blättere es durch. Manche Gesichter sind mit einem dicken schwarzen Filzstift ausgestrichen, Piper, Chantal und Madison sowie einige Mädchen, an deren Namen ich mich nicht mehr erinnere. Nicole ist ebenfalls durchgestrichen. Ich berühre das Kreuz; die Farbe scheint noch recht frisch zu sein. Über Kaileys Gesicht hingegen leuchtet ein grelles Fragezeichen, bei dessen Anblick mir das Blut in den Adern stockt. Noch schlimmer prangt allerdings ein zweites Fragezeichen über dem Gesicht eines anderen Mädchens: Leyla.
Er geht jede Schülerin durch, die bereits einen Führerschein hat, bis er herausgefunden hat, wer in den Unfall verwickelt war. Es überrascht mich nicht, dass er mich im Verdacht hat. Auch wenn ich mich für sehr klug gehalten habe, muss etwas in ihm mich erkannt haben. Aber Leyla? Sie hat nicht die geringste Ahnung von der Gefahr, in der sie schwebt.
Als ich draußen Schritte auf der Treppe höre, reiße ich den Kopf hoch. Sie werden lauter. Cyrus. Er kommt zurück. Das klirrende Geräusch von Schlüsseln, die aus einer Tasche gezogen werden, erfüllt mich mit Schrecken. Rasch lege ich Jahrbuch und Armband zurück auf den Nachttisch und hoffe, er bemerkt nicht, dass sie nicht exakt am selben Platz liegen. Heftig reibe ich mir die Augen, um die Tränen zurückzudrängen und meine Sicht zu klären.
Panisch blicke ich mich in dem Raum um, als ich weitere klirrende Geräusche von draußen höre. Das Bad ist der einzige Fluchtweg. So leise wie möglich haste ich in den kleinen, schimmeligen Raum. Das Fenster ist geschlossen, und ich zucke zusammen, als es beim Öffnen ein lautes Geräusch von sich gibt. Es lässt sich nur halb aufschieben, doch das reicht. Fast. Als der Schlüssel ins Schloss gleitet, quetsche ich mich durch das Fenster und verspüre einen glühenden Schmerz, als mir ein Nagel den Oberschenkel aufkratzt.
Hart komme ich auf dem Betonboden darunter auf, rappele mich schnell hoch und renne davon. Ich sehe mich nicht um und bleibe auch nicht stehen, bevor ich Kaileys Fahrrad erreicht habe.
Erst jetzt – mit pochenden Beinen und unsicher, ob meine Sicht von Tränen oder vom Regen getrübt ist – wird mir das Ausmaß meiner neuen Erkenntnisse klar. Ich stelle mich mit dem Fahrrad unter eine Ladenmarkise, gehe in die Hocke und lehne mich an das Schaufenster. Mein Gesicht in den Händen verborgen, stehe ich da, während verzweifelte Schluchzer meinen Körper schütteln.
Es ist sonnenklar. Ich muss weg von hier. Cyrus ist zu dicht davor, meine Identität zu lüften. Aber ich bin nicht die Einzige, die in Gefahr schwebt. Er hat Leyla im Verdacht, und er versucht, Noahs Loyalität zu gewinnen. Ich habe ihn hierhergeführt – wenn ich gehe, wird er mir folgen.
Kapitel 31
N och immer an das Schaufenster gekauert, recherchiere ich mit Hilfe Kaileys iPhone die Möglichkeiten, mir eine neue Identität zu beschaffen. Früher musste ich mich mit solchen praktischen Fragen nie auseinandersetzen, das hat Cyrus für mich erledigt. Anfangs hielt ich das für nett und aufmerksam. Dabei war es nur ein Weg, mich zu kontrollieren. So schwer kann es nicht sein – schließlich machen die Jugendlichen es dauernd, um Bier für ihre Partys kaufen zu können.
Es gibt einige Orte in East Oakland, die vielversprechend wirken. Es ist viel zu weit, um mit dem Fahrrad hinzufahren, weshalb ich es vor dem Laden abschließe und zur nächsten BART-Station gehe. Als ich in Fruitvale aussteige, regnet es noch stärker, und es ist kaum mehr jemand auf der Straße, wofür ich sehr dankbar bin. Die wenigen Leute, an denen ich vorbeikomme, werfen mir neugierige Blicke zu. Als ich mein Spiegelbild mit den blonden Locken im Fenster einer Wäscherei sehe, verstehe ich, warum. Kailey wirkt etwas fremd in dieser
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