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Everlight: Das Buch der Unsterblichen. Roman (German Edition)

Everlight: Das Buch der Unsterblichen. Roman (German Edition)

Titel: Everlight: Das Buch der Unsterblichen. Roman (German Edition)
Autoren: Avery Williams
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ganzen Tag dort und bereiten alles vor. Vor den Türen hat sich bereits eine ansehnliche Menschenmenge versammelt und hofft auf die Gnade der Türsteher, die gewissenhaft die Gästeliste überprüfen. Jared wirft mir einen anerkennenden Blick zu und macht uns den Weg frei.
    Ich friere in meinem austernfarbenen Seidenkleid, einer modernen Variante jenes Kleides, in dem mein ursprünglicher Körper vor so vielen Jahren gestorben ist. Ich war immer ein Fan von Symmetrie, und meine Garderobe für den Abend scheint mir ein passender Tribut an meine erste Verwandlung zu sein. An der Innenseite meines BH-Trägers ist ein kleiner Autoschlüssel befestigt, der flach über dem Herzen liegt. Ich trage keinen Schmuck, bis auf den Giftring, in dessen Geheimfach sich mein Abschiedsgeschenk für Cyrus befindet.
    Als ich den Club betrete, bin ich sofort umhüllt von lauten Stimmen und dröhnenden Bässen. Langsam gehe ich die Treppen hinauf, mein Herz schlägt nur noch schwach. Charlotte legt mir stützend eine Hand auf den Rücken.
    »Sera, du solltest wirklich nicht mehr lange warten, bis du dir einen Körper aussuchst«, flüstert sie besorgt. »Du lässt es darauf ankommen.«
    »Du kennst mich doch«, sage ich mit einem gezwungenen Lachen. »Ich suche immer das Risiko.«
    Cyrus wartet beim Eingang auf uns. Seine Augen funkeln erwartungsvoll unter den niedrig hängenden Lampen. »Seraphina, du bist so wunderschön«, raunt er, als er mich mit seinen starken Armen an sich zieht. Sein würziger Duft umgibt mich. Die Erinnerung an den Maskenball steigt in mir auf, aber ich verdränge sie sofort wieder. Die Nostalgie ist mein Feind. Ich darf nicht zurückblicken.
    »Es ist überwältigend«, sagt Charlotte und streicht ihr grünes, mit Pailletten besetztes Kleid glatt. »Ich war noch nie hier.«
    Der Club ist ganz in Grüntönen gehalten – samtbezogene Sofas in der Farbe feuchter Kiefernnadeln, aufwendig bemalte Glaskronleuchter in hellem Gelbgrün, Tapeten in Türkis. Bedienungen tragen Tabletts mit Absinth und Midori-Melonenlikör in kleinen Kristallgläsern umher.
    Vor nicht allzu langer Zeit hätte ich eine Party wie diese in vollen Zügen genossen – bis in den Morgen hinein tanzen, durch die Menge gleiten, Augenkontakt mit Cyrus aufnehmen und zusammen entscheiden, wer mein nächstes Opfer sein soll. Dieser Part ist unleugbar aufregend. Das Versprechen, meinen Körper um jeden Preis ändern zu können. Als neuer Mensch den Tag begrüßen, der Welt ein völlig unbekanntes Gesicht präsentieren. Wenn doch nur meine Erinnerungen ebenso leicht abzuwerfen wären.
    »Dein Kleid passt sehr gut hierher«, sage ich zu Charlotte. »Im ersten Band von Der Zauberer von Oz ist die Smaragdstadt nicht grün. Der Zauberer verpasst allen Leuten Brillen mit grünen Gläsern, deshalb denken sie, es wäre so.«
    Cyrus runzelt die Stirn, als ob ich ihn für seine Wahl der Lokalität kritisiert hätte.
    Rasch lege ich ihm die Hand auf den Arm. »Ich hole mir mal ein Glas Champagner.«
    Seine Miene hellt sich auf. »Ja, hol dir einen Drink und vergiss nicht … dich umzusehen.« Ein träges Grinsen breitet sich auf seinem Gesicht aus, begleitet von einem wissenden Blick.
    Mein Magen krampft sich zusammen, aber ich zwinge mich dazu, sein Lächeln zu erwidern.
    Charlotte und ich überqueren die Tanzfläche, auf der sich die Leiber im Takt der Musik bewegen. Der DJ spielt einen Remix des alten Neil-Young-Songs »Heart of Gold«, der mich unsäglich traurig macht.
    I crossed the ocean for a heart of gold … And I’m getting old.
    Charlotte sieht sich um, ob ich ihr auch folge. »Sollen wir nach dem Lied tanzen?«, ruft sie laut.
    Ich packe ihre Hand und drücke sie. Ja.
    Sie bestellt beim Barkeeper zwei Midori Sour mit Melonenscheiben, und wir prosten uns zu. »Auf Neuanfänge und alte Freunde«, sagt sie.
    »Zum Wohl«, erwidere ich lächelnd, und wir stoßen an. »Freundinnen für immer.«
    Die kalte, fruchtige Süße des Melonenlikörs fließt prickelnd durch meine Kehle, und ich erinnere mich an den Sommer, den wir in Alabama verbracht haben. Cyrus hat uns ein verfallenes Farmhaus besorgt mit einem leuchtend roten Stall und einem riesigen Melonenfeld. Charlotte und ich haben Stunden im kühlen Schatten des Stalls verbracht, umgeben vom Duft nach Heu und Pferden, eine Wassermelone nach der anderen verzehrt und uns bei jedem klebrigen schwarzen Kern etwas gewünscht.
    Ich wünsche mir, mich zu verlieben.
    Ich wünsche mir, für immer zu
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