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Everlasting

Everlasting

Titel: Everlasting
Autoren: Holly-Jane Rahlens
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Bibliothek unter der Oberfläche, nämlich unterirdisch, zwölf Stockwerke tief. Das Magazin, die «Katakomben» genannt, die letzte Ruhestätte für die Bücher Europas, war auf dem Grund 520   Meter lang und 400   Meter breit.
    Dr.   Dr.   Rirkrit Sriwanichpooms Büro lag nur wenige Stockwerke unter der Spitze des Eisbergs. Bisher war Finn noch nie höher gekommen als bis zum 17.   Stock, wo in den Konferenzräumen die jährliche Silvesterfeier der Bibliothek stattfand. Normalerweise fuhr er mit dem Glaskäfig nach oben, aber er hatte noch ein paar Minuten Zeit und beschloss, die Besucherroute über den Korkenzieher zu nehmen, die gewundene Rolltreppe, die sich gemächlich nach oben schraubte und einen grandiosen Ausblick über ganz Greifswald bot. Unterwegs schaute er sich die Holo-Show an, in der das Archiv für die toten Sprachen seine größten Schätze zeigte. Dort fanden sich die kläglichen Überreste der nordeuropäischen Sprachen, die während des Dark Winter durch Auswanderung, Flucht undden Tod so vieler Menschen ausgestorben waren: Deutsch, Niederländisch, Dänisch, Schwedisch, Norwegisch und Finnisch.
    Einige Hauptattraktionen des Eisbergs hatte er als Student bereits im Original gesehen, etwa die Gutenberg-Bibeln. Andere hatte er in Form von Tru-Copys studiert, so zum Beispiel die Erstausgabe von Goethes
Die Leiden des jungen Werthers
. Einmal hatte sein Freund Renko Hoogeveen vom Archiv für die toten Sprachen ihn sogar einen Originalversandhauskatalog von Quelle aus dem Jahr 1992 durchblättern lassen. Das war natürlich streng verboten, denn dieser Katalog und die Erstausgabe des Groschenromans
Dr.   Norden
aus dem Jahre 1973 zählten zu den bedeutendsten Funden aus dem zwanzigsten Jahrhundert.
    Am letzten Ausstieg im 17.   Stock trat Finn vom Korkenzieher und fuhr das letzte Stück zum 23.   Stock mit dem Glaskäfig nach oben.
     
    Man führte Finn durch den Thronsaal in Dr.   Dr.   Sriwanichpooms Bibliothekskammer. Auf einem Glazex-Tisch lag das Pinkfarbene Tagebuch. Der Bibliotheksdirektor reichte es Finn mit einer feierlichen Geste. «Bitte, öffnen Sie es. Werfen Sie einen Blick hinein. Unser Labor hat sich die allergrößte Mühe damit gegeben.»
    Finn schlug die Tru-Copy auf. Die Handschrift darin war groß, mit betont runden Schlaufen.
    «Groß, was?», sagte der Direktor. «Und dann die betont runden Schlaufen.»
    Finn schaute auf. Das verblüffende Talent des Direktors, Gedanken zu lesen verunsicherte ihn jedes Mal.
    «Nur zu», sagte Dr.   Dr.   Sriwanichpoom. «Schauen Sie weiter, bitte.»
    Finn blätterte zur ersten Seite und runzelte die Stirn. Statt schlichter i-Punkte hatte die Autorin jedes i mit einem kleinen Herzen verziert. Und jedes O war ein kleines Smiley. Oje. Worauf hatte er sich da bloß eingelassen? Das Papier war liniert, dünn, von schlechter Qualität, und es raschelte. «Das Labor hat wirklich ausgezeichnete Arbeit geleistet. Die Seiten machen sogar ein knisterndes, raschelndes Geräusch», sagte Finn.
    «Nett», murmelte Dr.   Dr.   Rirkrit Sriwanichpoom, offensichtlich nicht besonders interessiert. «Leider müssen wir es jetzt kurz machen. Dieser Direktor steht unter Termindruck. Bitte lassen Sie uns doch wissen, wenn Sie den Namen der Autorin herausgefunden haben. Oder wenn Sie mit der Entschlüsselung des Dokuments fertig sind. Je nachdem, was zuerst eintritt. Alles klar?»
    «Selbstverständlich.»
    «Es war mir ein Vergnügen», sagte der Direktor mit seinem typisch unterkühlten Näseln, sodass Finn den Eindruck gewann, er meinte eigentlich das Gegenteil. Schon wieder beschlich ihn das eigenartige Gefühl, dass ihn der Mann an irgendwen erinnerte.
    «Ach so», sagte Dr.   Dr.   Sriwanichpoom, «richten Sie doch bitte Ihrer bezaubernden   …» Er stockte einen Moment, als suchte er nach dem richtigen Wort, «…   Freundin herzliche Grüße aus.»
    «Sir?», fragte Finn irritiert.
    «Rouge», sagte der Direktor. «Rouge. Marie. Moreau. Der Name passt zu ihr. Sie ist doch eine   … Freundin, oder?»
    «Ja, natürlich», sagte Finn.
    «Keine   … Gefährtin?», fragte der Direktor.
    «Nein», sagte Finn. «Nein.»
    «Eigenartig. Dieser Direktor hatte den Eindruck, Sie beide wären physisch kompatibel.»
    Finn spürte, wie er rot wurde. Woher wusste der Mann von ihm und Rouge?
    «Wie alt sind Sie jetzt?», erkundigte sich der Direktor.
    Doc-Doc musste das sicher wissen. Finn schluckte trocken. «Sechsundzwanzig.»
    «Da wird es aber
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