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Everlasting

Everlasting

Titel: Everlasting
Autoren: Holly-Jane Rahlens
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Deutsche Pest, das von einer terroristischen Zelle in Kassel, Deutschland, im Labor erschaffene Virus, im September 2018 den amerikanischen Kontinent erreichte, war es das Gebot der Stunde, dass alle Ordnungskräfte landesweit als geschlossenes Ganzes agierten. Nicht nur die Marines, sondern auch Polizei, Armee, Navy, Air Force und Nationalgarde übernahmen in der Folge den Illeismus, um Einigkeit zu demonstrieren. Erstaunlicherweise stellte sich dieser Effekt tatsächlich ein, und nun übernahmen auch viele andere Nationen den neuen illeistischen Kodex. Binnen kürzester Zeit hatte er die Umgangssprache verändert, und das Pronomen
ich
verlor besonders in den germanischen und romanischen Untergruppen der indoeuropäischen Sprachen an Bedeutung. Als 2095 das erste General Global Government entstand und Internationalismus und globale Kooperation verstärkt wurden, galt die Verwendung des Pronomens
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bereits als gesellschaftlicher Fauxpas.›» Rouge hörte auf zu lesen. Offensichtlich begann sie sich zu langweilen.
    «Das Buch liefert Tipps, wie sich die Verwendung der ersten Person Singular vermeiden lässt», erklärte Finn und zeigte ihr das Inhaltsverzeichnis. «Indem man zum Beispiel ‹ich› durch ‹wir› ersetzt oder eine Frage formuliert, statt eine persönliche Meinung zu äußern. Und so weiter. Alles Dinge, die uns heute selbstverständlich sind.» Er nahm ihr das Buch aus der Hand und stellte es zurück an seinen Platz im Schrank. «Hattest du nicht gesagt, du hast Hunger? Eine Berryola vielleicht?»
     
    Rouge schaute sich in der Küche um. «Hübsch», sagte sie und wandte sich dann zu Finn. «Wie ist der Anruf letzte Nacht eigentlich gelaufen?»
    Finn zuckte die Achseln. «Dieser Historiker kann nur hoffen, dass er das Richtige tut. Es ist ein Tagebuch. Vermutlich von einem dreizehnjährigen Mädchen.»
    «Oje. Klingt nicht sehr prickelnd.»
    Finn holte die Berryola aus dem Kühlschrank. «Vielleicht ja doch. – Hast du Lust auf Fisch zum Lunch? Auf der anderen Seite der Bucht ist eine Sea Farm.»
    «Ausgezeichnet.»
    «Hummer? Wal?» «Wie wär’s mit Hai?»
    Finn lachte auf.
    «Warum lachst du?»
    «Dieser Freund hat richtigerweise vermutet, dass du dich für Hai entscheiden würdest», sagte er. Er schaute ihr in die Augen. «Du bist ein Raubtier, Rouge Marie Moreau. Das weiß doch jeder.»
    Sie lachte, trank einen Schluck von ihrer Berryola und sagte dann: «Und meine Beute? Wo ist die?»

4   Der Eisberg
    Es war ein strahlender Morgen, und von dem Greenway aus gesehen war Greifswald in goldenes Licht getaucht. Alles duftete nach dem Regen der letzten Nacht, nach nassem Laub, feuchter Erde, dem zu erwartenden kühleren Herbstwetter und nach Verheißung. Finn blieb kurz an einem Kiosk stehen und kaufte sich eine Tüte gebrannte Mandeln. Ein Piepston signalisierte ihm, dass der Inkasso-Sensor der Robo-Verkäuferin sich in sein B B-Bank konto eingeloggt und die Summe abgebucht hatte. Er riss die Tüte auf und kostete die Süßigkeit, während er weiterschlenderte. So leicht war ihm schon seit dem Unfall seiner Familie nicht mehr ums Herz gewesen. Die Aussicht auf die neue Aufgabe – einen Prestige-Job! – hatte seine Stimmung gehoben. Heute würde er das Pinkfarbene Tagebuch – oder genauer gesagt, dessen Tru-Copy – in den Händen halten. Er wandte den Blick hoch zur Europäischen Bibliothek.
    Das Gebäude ragte turmhoch in den Himmel und beherrschte das Stadtbild von Greifswald, gerade an der Stelle, wo bis zu seinem Einsturz der mittelalterliche Dom der Stadt gestanden hatte. Erbaut vor 150   Jahren, barg diese Bibliothek, die älteste von nur drei auf dem Kontinent, die größte Büchersammlung Europas. Leider war derBestand von 72   Millionen Büchern, wenn man bedachte, was alles verlorengegangen war, letztendlich nur Peanuts.
    Die Bibliothek hatte den Spitznamen «Eisberg» und sah auch wirklich so aus: Sie war ringsum verglast und verspiegelt, war auf dem Erdboden 325   Metern breit, stieg unregelmäßig an und schraubte sich höher und höher hinauf, um schließlich bei 99,79   Metern Höhe in eine Spitze zu münden, die all die rot gedeckten Gebäude im näheren Umkreis winzig erscheinen ließ. Im Inneren war es trotz der Glasfassaden eher düster und still, die Schritte der Besucher hallten auf den weißen Marmorböden und das Echo ihrer Stimmen schallte von den Wänden wider. Aber es gab nur wenige Besucher.
    Getreu ihrem Spitznamen lag der größte Teil der Europäischen
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