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Evelyns Fall - ein Mira-Valensky-Krimi

Evelyns Fall - ein Mira-Valensky-Krimi

Titel: Evelyns Fall - ein Mira-Valensky-Krimi
Autoren: Wien/Bozen Folio Verlag
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aber keiner lacht, „… werden wir auf eine andere Art munter machen. Mir schwebt eine Reportageserie vor: Die Gewinner der Krise. Leute, die aus der Krise etwas gemacht haben, Betriebe, die florieren, Menschen, die Geschäftsideen genau jetzt umgesetzt haben, so etwas. Sie werden die Leute schon finden, Frau Valensky. Da bin ich mir sicher.“ Er sieht mich mit einem Blick an, der so was von eindeutig sadistisch ist, dass ich ihm am liebsten ins Gesicht springen würde. Er mag mich genauso wenig wie ich ihn. Ich sehe meinen alten Freund Droch an. Er ist einer der wenigen seriösen Journalisten beim „Magazin“, weit über unsere Redaktion hinaus angesehen, ein unabhängiger und treffsicherer politischer Kommentator. Und mein bester Freund hier, auch wenn wir in beinahe allem unterschiedlicher Meinung sind. Den Mist kann er nicht hinnehmen. Er sieht auch nicht besonders begeistert aus. Aber er schweigt. Scheint in sich versunken. Nahe dem Nirwana. Ich versuche ihn mit Blicken zum Sprechen zu bringen. Leider sitzt er zu weit weg, als dass ich ihn stoßen könnte. Abgesehen davon sind seine Beine so gut wie gefühllos, Folge eines Kriegsreportereinsatzes in jungen Jahren. Seither sitzt er im Rollstuhl. Wie viel hat der Rollstuhl zu seinem Mythos als Topjournalist beigetragen? Mira, ein Unglück bleibt ein Unglück. Dennoch: Ich hätte in diesem Moment gute Lust, die wahre Geschichte seines Unfalls zu erzählen. Ich bin eine der ganz wenigen, die sie kennen. Er ist kein Kriegsheld – wenn es so etwas überhaupt gibt –, sondern er war ein junger, dummer Reporter, der in einen fernöstlichen Hotelswimmingpool gesprungen ist, in dem kein Wasser war. Das hatten sie rationiert. Hotelpools galten auch damals nicht als überlebensnotwendig. Nein, würde ich nie erzählen. Ich würde sein Vertrauen nie missbrauchen.
    „Vielleicht gibt es ja ehemalige Manager, die jetzt Sozialhilfe kassieren. Oder andere Promis“, überlegt der Sportchef. „Wenn man das mit so einer Armutsgeschichte koppelt …“
    „Bisher gab’s nur dieses Schauspielerpaar, das ohnehin dauernd in den Klatschspalten ist … Wie heißen die beiden gleich? … Die haben Sozialhilfe beantragt … Aber das war schon vor der Krise“, ergänzt der Wirtschaftschef.
    Nun durchbohre ich Droch schon fast mit meinem Blick. Er blinzelt mir kurz zu, wie frisch erwacht. „Valensky kann ja über Armut recherchieren. Neben der Serie über die Krisengewinner. Wenn ihr das wichtig ist“, sagt er dann. Nicht gerade die Hilfe, die ich erwartet habe. Recherchieren kann ich sowieso alles. Wenn ich Zeit dazu habe.
    „Seien wir uns ehrlich“, doziert der Chronikchef. „Bei uns findet jeder Arbeit, der arbeiten will.“
    Ich sehe ihn schon mit Eimer und Besen und fröhlichem Gesicht Bürohäuser wie dieses hier putzen. Dummerweise sage ich es auch. Jetzt habe ich zwar die Lacher auf meiner Seite, aber endgültig eine nervtötende Geschichte am Hals: Meine erste Reportage über die Krisengewinner soll von einer Nobelsecondhandladenbesitzerin handeln, einer „Superfrau“, laut Chronikchef. Ihr Erfolg hat sicher nichts damit zu tun, dass sie mit dem Eigentümer der größten Baumarktkette liiert ist. „Finden Sie heraus, wer in Zeiten wie diesen bei ihr einkauft und wer verkauft. Das müsste Ihnen doch liegen?“ Ich habe den miesen Kerl unterschätzt. Ich stelle ihn mir noch einmal mit Besen und Eimer vor, aber jetzt halte ich den Mund. Ab und zu ist das einfach besser. Vielleicht werde ich schön langsam weise. Oder nur älter? Aus Schaden klug?
    „Was hätte ich tun sollen?“, grinst Droch, als wir beim Türken ums Eck unsere gemischte Vorspeisenplatte für zwei zu uns nehmen. Ich muss höllisch aufpassen, dass er nicht alle Sigara Börek stibitzt, die mag er ebenso gern wie ich.
    „Du hättest ihnen einen Vortrag über Armut in Österreich halten können“, überlege ich.
    „Da hätten sie sich aber gewundert.“
    „Na und?“
    „Außerdem glaube ich, dass es in jedem Land Armut gibt. Und dass sie sich nicht restlos bekämpfen lässt, wenn man in einer Demokratie lebt.“
    „Unsinn“, fahre ich auf.
    „Sonst gibt es zu viele Vorschriften. Zu viel Bevormundung. Zu viele Einschränkungen. Selbst in der UdSSR haben sie das nicht geschafft, ein Land ohne Armut.“
    „Im jetzigen Russland ist es schlimmer.“
    „Gehörst du jetzt etwa zu den Sowjetnostalgikern …?“
    Es ist eines unserer üblichen Geplänkel. Er will mich ärgern, indem er den alten
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