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Eugénie Grandet (German Edition)

Eugénie Grandet (German Edition)

Titel: Eugénie Grandet (German Edition)
Autoren: Honoré de Balzac
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schreibt; hier, bitte.« Eugénie las folgenden Brief:
›Meine liebe Frau!
    Charles Grandet ist aus Indien zurückgekehrt; seit einem Monat ist er in Paris...‹
    ›Seit einem Monat!‹ dachte Eugénie und ließ den Brief sinken. Nach einer Weile nahm sie die Lektüre wieder auf.
›... Ich habe zweimal vergeblich vorsprechen müssen; ehe ich den künftigen Comte d'Aubrion zu sehen bekam. Obgleich ganz Paris von seinen Heiratsabsichten spricht und das Aufgebot schon erfolgt ist...‹
    ›Er schrieb mir also, als schon das.. .?‹ sagte sich Eugénie. Sie dachte den Satz nicht zu Ende. Sie schrie nicht wie eine Pariserin: ›Der Elende!‹ Aber ihre Verachtung war darum nicht geringer, wenn sie sie auch unausgesprochen ließ.
›... Mit dieser Ehe hat es noch gute Wege; der Marquis d'Aubrion wird seine Tochter nicht dem Sohn eines Bankrotteurs geben. Ich hatte den jungen Mann aufgesucht, um ihm mitzuteilen, welche Mühen sein Onkel und ich uns gegeben haben, um die Angelegenheiten seines Vaters zu ordnen, und um ihm Kenntnis zu geben von den Manövern, mittels deren es uns gelungen war, die Gläubiger bis heute ruhig zu halten. Hatte der impertinente Wicht da die Keckheit, mir zu antworten mir, der ich mich seit fünf Jahren Tag und Nacht seinen Interessen und seiner Ehre widmete ..., daß die Geschäfte seines Vaters nicht die seinigen seien. Ein Rechtsbeistand hätte ihm ein Honorar von dreißig- bis vierzigtausend Francs, d. h. ein Prozent der Schuldsumme, abverlangen können. Aber nur Geduld, er schuldet seinen Gläubigern noch heute eine Million zweihunderttausend Francs, und ich werde seinen Vater bankrott erklären lassen. Ich habe mich in dieser ganzen Sache auf das Wort des alten Krokodils Grandet verlassen und habe im Namen der Familie Versprechungen gemacht. Wenn den Comte d'Aubrion seine Ehre wenig kümmert – die meinige liegt mir sehr am Herzen! Ich werde also den Gläubigern meine Lage dartun. Trotz allem aber habe ich zu viel Hochachtung für Mademoiselle Eugénie, der wir uns in glücklicheren Zeiten zu verbinden gedachten, um zu handeln, ehe Du sie von der Lage der Dinge unterrichtet hast ...‹
    Hier hörte Eugénie auf zu lesen und gab mit kühler Miene den Brief zurück.
    »Ich danke Ihnen «, sagte sie zu Madame des Grassins; »wir werden sehen...«
    »Jetzt haben Sie ganz den Tonfall Ihres seligen Vaters«, sagte Madame des Grassins.
    »Madame«, unterbrach Nanon, »Sie haben uns achttausendeinhundert Francs in Gold auszuzahlen.«
    »Ja, das stimmt, Madame Cornoiller; haben Sie also die Güte, mit mir zu kommen.«
    »Monsieur le Curé«, sagte Eugénie, als sie sich mit ihm allein sah, mit edler Würde, »ist es eine Sünde, in der Ehe Jungfrau zu bleiben?«
    »Das ist eine Gewissensfrage, deren Lösung mir unbekannt ist. Wenn Sie wissen möchten, was der berühmte Sanchez in seiner Abhandlung ›De matrimonio‹ darüber äußert, so könnte ich es Ihnen morgen sagen.«
    Der Pfarrer ging. Mademoiselle Grandet stieg in das Arbeitszimmer ihres Vaters hinauf und verbrachte dort einsam den Tag; trotz der Bitten Nanons erschien sie nicht zum Mittagessen. Erst am Abend, zur Stunde, da sich, wie üblich, die Gäste einfanden, ließ sie sich wieder blicken. Niemals war der Saal der Grandets so voll gewesen wie an diesem Abend. Die Neuigkeit von der Rückkehr und frechen Untreue Charles' hatte sich in der ganzen Stadt verbreitet. Wie aufmerksam aber auch die Neugier der Besucher spähte, sie wurde nicht befriedigt. Eugénie, die dergleichen erwartet hatte, zeigte in ihrem Antlitz kein Abbild der furchtbaren Erschütterungen, von denen ihr Gemüt betroffen worden war. Denen, die ihr bekümmerte Worte sagten, antwortete sie mit heiterem Gesicht; sie verstand es, ihr Unglück hinter der Maske der Höflichkeit zu verbergen.
    Gegen neun Uhr hörten die Spiele auf, die Spieler zahlten sich aus, verließen ihre Plätze, sprachen dabei über ihre Stiche im Whist und gesellten sich zur Gruppe der Plaudernden. Dann, als alles sich erhoben hatte, um nach Hause zu gehen, erfolgte ein Ereignis, ein Theatercoup, der in ganz Saumur, im ganzen Bezirk und in vier umliegenden Provinzen seinen Widerhall fand.
    Eugénie wandte sich an Monsieur de Bonfons, der bereits seinen Stock genommen hatte, und sagte: »Bleiben Sie, Monsieur le Président!«
    Es war nicht ein einziger in dieser großen Versammlung, den diese Worte nicht seltsam bewegt hätten. Der Präsident erbleichte und mußte sich niedersetzen.
    »Dem
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