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Esquivel, Laura - Bittersuesse Schokolade

Esquivel, Laura - Bittersuesse Schokolade

Titel: Esquivel, Laura - Bittersuesse Schokolade
Autoren: Laura Esquivel
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schüttelte sie die Federn aus dem Haar und bürstete es gründlich aus, bevor sie gerade noch rechtzeitig nach unten ging, um John und Mary bei ihrer von Pulque mit lautem Gebell begrüßten Ankunft auf der Farm willkommen zu heißen.
    Tita empfing sie im Salon. Tante Mary war genauso, wie Tita es sich vorgestellt hatte: eine feine und liebenswerte ältere Dame. Trotz ihres vorgerückten Alters erschien sie in makelloser Aufmachung.
    Sie trug einen dezenten, pastellfarbenen Blumenhut, der sich angenehm vom Weiß ihrer Haare abhob. Ihre strahlendweißen Handschuhe paßten sich der Haarfarbe an. Beim Gehen stützte sie sich auf einen Mahagonistock mit schwanenförmigem Silberknauf. Charmant verstand sie es, Konversation zu machen. Die Tante war ihrerseits entzückt von Tita, beglückwünschte ihren Neffen überschwenglich zu seiner treffsicheren Wahl und lobte Titas ausgezeichnetes Englisch.
    Tita entschuldigte sich für die Abwesenheit ihrer Schwester mit dem Hinweis, sie fühle sich nicht wohl, dann bat sie alle, drüben im Eßzimmer am Tisch Platz zu nehmen.
    Reis mit gebratener Banane schmeckte der Tante hervorragend, die auch die Zubereitung der Bohnen als höchst gelungen pries.
    Unmittelbar vor dem Servieren streut man den geriebenen Käse über die Bohnen und verziert sie mit zarten Salatblättern, Avocadoscheiben, gehackten Radieschen, Tornachil-Pfefferschoten und Oliven.
    Die Tante war eine andere Art von Speisen gewohnt, doch das hinderte sie nicht daran, Titas vorzügliche Kochkünste zu bewundern.
    »Hmmm. Das ist einfach köstlich, Tita.«
    »Herzlichen Dank.«
    »Was für ein Glück du hast, Johnny, von nun an wirst du zweifellos von Meisterhand bekocht werden, denn Catys Kochkünste lassen, um ehrlich zu sein, doch einiges zu wünschen übrig. In der Ehe wirst du dann endlich einmal zunehmen.«
    John entging nicht, daß Tita sich in ihrer Haut nicht wohl fühlte.
    »Stimmt etwas nicht mit dir, Tita?«
    »Nein, aber ich kann jetzt nicht darüber reden, deine Tante wird sich vielleicht brüskiert fühlen, wenn wir nicht Englisch sprechen.«
    »Mach dir darüber keine Sorgen, sie ist stocktaub.«
    »Wie kann sie sich dann aber so perfekt unterhalten?«
    »Weil sie von den Lippen liest, aber nur auf Englisch, kümmere dich also nicht darum. Abgesehen davon nimmt sie niemanden wahr, solange sie mit dem Essen beschäftigt ist, und nun sag mir bitte, was mit dir los ist. Wir haben noch keine Zeit für ein Gespräch gehabt, immerhin findet die Hochzeit in einer Woche statt.«
    »John, ich glaube, es ist besser, wir sagen sie ab.«
    »Aber warum das denn?«
    »Zwing mich nicht, es dir jetzt zu erklären.«
    Bei dem Versuch, die Tante nicht merken zu lassen, daß sie über ein einigermaßen heikles Thema sprachen, lächelte Tita ihr freundlich zu. Die Tante erwiderte die Geste und machte, vollauf mit ihrem Bohnengericht beschäftigt, einen rundum zufriedenen Eindruck. Demnach stimmte es also, sie konnte tatsächlich kein Wort Spanisch von den Lippen ablesen. So durfte Tita ohne Gefahr offen mit John reden. John bestand weiterhin auf dem Thema.
    »Magst du mich etwa nicht mehr?«
    »Ich weiß es nicht.«
    Wie schwer fiel es Tita fortzufahren, nachdem sie Johns schmerzvollen, doch sogleich wieder unterdrückten Gesichtsausdruck bemerkt hatte.
    »In der Zeit deiner Abwesenheit hatte ich eine Beziehung zu einem anderen Mann, den ich schon immer geliebt habe, und dabei habe ich meine Unschuld verloren. Deswegen kann ich dich nicht mehr heiraten.«
    Nach einer langen Pause wollte John wissen:
    »Liebst du ihn mehr als mich?«
    »Das kann ich dir wirklich nicht beantworten, ich weiß es einfach nicht. Wenn du nicht hier bist, meine ich, ihn zu lieben, aber wenn ich dich sehe, ist alles wieder ganz anders. An deiner Seite fühle ich mich sicher, geborgen, in Frieden ..., aber ich kann es nicht sagen, beim besten Willen nicht... Verzeih mir bitte, daß ich so offen bin.«
    Über Titas Wangen rannen nun die Tränen. Tante Mary ergriff ihre Hand und sagte zutiefst gerührt auf Englisch zu ihr:
    »Wie schön es ist, eine verliebte Frau in Tränen aufgelöst zu sehen. Mir ist das auch immerzu passiert, als ich kurz vor der Hochzeit stand.«
    John bemerkte sofort, daß diese Worte Tita vollends aus der Fassung zu bringen drohten und die Situation dann nicht mehr zu retten wäre.
    Da streckte er seine Hand aus, um Titas zu ergreifen und sagte zur Beruhigung der Tante mit einem Lächeln auf den Lippen:
    »Tita, mir ist egal,
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