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Esper in Aktion

Esper in Aktion

Titel: Esper in Aktion
Autoren: Dan Morgan
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Umkehr, aber er blieb hart.
    Er spürte jetzt die Nähe der dritten Schicht. Grelle Dissonanzen schienen die Struktur des Universums ins Wanken zu bringen. Die Klänge vermittelten Schmerz und Furcht zugleich. Sie schmeckten nach Tod und Verfall.
    Mühsam kämpfte er gegen den Ekel an und drang weiter vor.
    Von nun an konnte er nicht mehr die Distanz eines Beobachters wahren. Er bewegte sich in völlig unbekanntes Territorium. Er mußte sich auf Annettes Realität einstellen, auf ihre subjektive Welt – er mußte mit ihr verschmelzen, wenn er nicht unterliegen wollte. Und vielleicht entdeckte er irgendwo in diesem Neuland eine andere Annette, ihr geheimes Selbstbildnis, das in Konflikt mit dem rational geformten Ich der zweiten Bewußtseinsschicht stand.
    Die Aktivität wurde stärker, aber noch wagte er es nicht, den natürlichen Schutz seiner Psi-Barriere zu durchbrechen. Er begriff zum ersten Male das volle Ausmaß des Risikos, vor dem Viktor ihn gewarnt hatte. Er konnte den Mahlstrom des Unterbewußtseins nur verstehen, wenn er sich darin versenkte; und das hieß, daß er hilflos Annettes Wahnvorstellungen ausgeliefert war. Sie besaß die Macht, seine Persönlichkeit zu zerbrechen. Andererseits hatte es wenig Sinn, jetzt noch umzukehren.
    Er gab sich einen Ruck und löste den Schutzschild auf. Einen Moment lang irrte der Ausläufer seines Bewußtseins durch die Korridore von Annettes Gehirn. Verschwommen zogen die Gedankenketten der zweiten Schicht an ihm vorbei. Und dann, wie bei einem Filmschnitt, war diese Szene verschwunden.
    Er gehörte einer neuen Wirklichkeit an; er war nicht mehr ein Psi-Ausläufer seiner selbst, sondern körperliche Substanz mit einer festen Beziehung zur Umgebung. Obwohl ihm seine Logik sagte, daß das nicht stimmen konnte, ließ sich der Eindruck nicht verwischen. Und die Logik zerrann, je enger er mit Annettes Unterbewußtsein verschmolz.
    Er hatte nicht mit soviel Schönheit gerechnet. Er stand in einem sonnenhellen Garten, umgeben von leuchtenden Blumen. Schmetterlingsschwärme gaukelten zwischen Rosen, Goldlack und hohen Sonnenblumenstengeln. Darüber hing der fröhliche Gesang der Vögel. Der Fleck hatte etwas von der üppigen Wildheit eines alten, englischen Sommergartens an sich. Havenlake stand wie verzaubert auf dem dichten Rasenteppich und sah sich um.
    Es dauerte lange, bis er sich aus dem Bann seiner Umgebung löste. Jetzt erst bemerkte er, daß er keine Kleider trug. Ein verfilzter, stinkender Haarpelz bedeckte seinen gedrungenen Körper und verlieh ihm ein primitivbrutales Aussehen. Eine Bestie in dieser Welt der Schönheit …
    Etwas raschelte hinter ihm, und er drehte sich um. Die Blätter und Blüten bogen sich wispernd zur Seite und gaben einen schmalen Pfad frei. Mit plumpen Schritten setzte er sich in Bewegung.
    Der Weg endete unter den rosa Blütenkronen eines Obsthaines. Er atmete tief den süßen Duft ein. Eine grüne, von Blumen übersäte Lichtung tat sich vor ihm auf. Er sah einen weiß gestrichenen Pavillon mit orientalisch anmutenden Schnitzereien. Die Tür stand offen. Ein innerer Zwang ließ ihn nähertreten. Er erklomm die Stufen des Pavillons.
    Durch die bunten Glasfenster fiel Licht ein und zeichnete kaleidoskophafte Muster. Annette lag auf einem niedrigen Seidenbett. Sie sah ihn an und lächelte einladend. Ihr Körper war fremd und vertraut zugleich – weicher, als er ihn in Erinnerung hatte, und von einer schimmernden Transparenz. Er zitterte vor Verlangen.
    Immer noch lächelnd wölbte ihm Annette ihren Körper entgegen. Er stürzte sich mit einem Aufschrei auf sie, und sie wehrte ihn nicht ab.
    Die Szene zerrann wie Wachs in der Sonne; Annettes Perlmuttleib wurde zu einem Lichtfleck von vielen. Die Wände des Pavillons bewegten sich schwindelerregend schnell auf ihn zu. Er schwebte eine Ewigkeit in einem brodelnden, vielfarbigen Nichts und spürte immer noch das erregte Pulsieren seines Körpers.
    Als seine Umgebung endlich wieder feste Formen annahm, stand er in einer Arena, umringt von Unglücklichen, die wie er an Pfähle gebunden waren. Er konnte nur den Kopf bewegen. Dicht über ihm hing ein düstergrauer Himmel. Eine schweigende Menge von Halbmenschen füllte die ansteigenden Ränge – Golemgestalten mit zahnlosen Mäulern und leeren Augenhöhlen.
    Ein Schrei zerriß die bleierne Stille und verstummte wieder. Er wandte den Kopf nach links – und sah Annette.
    Das war nicht die verführerische Huri des orientalischen Pavillons, sondern ein
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