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Eselsmilch

Eselsmilch

Titel: Eselsmilch
Autoren: J Mehler
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Dabei wurde ihr übel.
    Sie
tastete nach Sprudels Hand. Als sie versuchte, den Blick auf sein Gesicht zu
fokussieren, sah sie ihn blinzeln, als ob ihm etwas ins Auge geraten wäre.
    Während
Fanni noch überlegte, was das wohl gewesen sein könnte, traf ihn plötzlich
etwas Schweres, offenbar sehr Hartes an der Schläfe, denn es gab einen
knallenden Laut, und Sprudel kippte seitlich weg.
    Wie?,
dachte Fanni töricht.
    Sie
wollte sich zu ihm beugen, wurde aber zurückgerissen und bekam einen
Faustschlag aufs Kinn.
    Mühsam
hob sie den Kopf und sah in Doras blitzende Augen. »Hab ich dich endlich.«
    »D… du?«,
stammelte Fanni.
    »Ja,
ich«, triumphierte Dora.
    »A… aber
warum?«, stöhnte Fanni.
    Dora
versetzte ihr mehrere Ohrfeigen. »Weil du« – klatsch – »meinen« –
klatsch – »Vater auf dem Gewissen hast!« Klatsch – klatsch.
    »Vater …«
Fanni mühte sich ab, das Wort mit einer Bedeutung zu versehen. Schließlich
gelang es ihr.
    »Du
hast ihn umgebracht!«, schrie Dora. »Aus Kummer und Gram darüber, dass du ihn
ins Gefängnis gebracht und damit unsere ganze Familie ruiniert hast, hat er
sich erhängt.«
    Erhängt,
hallte es in Fannis Kopf wider. Erhängt. Als sie den Begriff endlich zu fassen
bekam, fragte sie mit kaum gehorchender Zunge: »Wer hat sich erhängt? Wer ist
dein Va…?«
    Dora
gab ein garstiges Lachen von sich. »Du hast ihn nicht erkannt!« Sie versetzte
Fanni eine so kräftige Ohrfeige, dass deren Kopf nach hinten flog. »Nicht
einmal richtig angesehen hast du ihn dir, auf dem Foto in der Zeitung vom
vergangenen August. Ich hatte sie extra mitgenommen, um sie dir bei unserer
Abrechnung unter die Nase zu halten. Aber Hubert, der Idiot, musste sie ja als
Einwickelpapier verwenden und liegen lassen.« Sie packte Fanni am Kragen und
schüttelte sie. Dabei sagte sie halblaut, so als würde sie mit sich selbst
reden: »Die ganze Zeit über hat er sich aufgeführt wie ein Idiot. Er hat es
einfach nicht wahrhaben wollen, wie ernst es mir ist. Hat sich eingebildet, ich
würde aufgeben, bevor es mir gelungen ist, dich ins Jenseits zu befördern.«
    Daraufhin
schlug Dora erneut zu, so hart, dass vor Fannis Augen bunte Kreise tanzten.
    »Vater
war nach dem Prozess kaum mehr wiederzuerkennen!«, schrie Dora wie von Sinnen.
»Und daran bist du schuld, Fanni Rot! Du hast es geschafft, einen wunderbaren
Menschen kaputt zu machen, komplett zu zerstören. Du hast ein Wrack aus ihm
gemacht, Fanni Rot – aus dem Mann, der einmal ein angesehener Bürger war,
geliebt und geachtet, geradezu als Heiliger verehrt.«
    Fanni
fiel das Denken mit jeder Sekunde schwerer. Angesehener Bürger – Gefängnis –
Zeitung – Bürger – Gefängnis … Plötzlich zerriss der Nebel in
ihrem Hirn für einen Moment, und sie erinnerte sich.
    Im
Foyer des Hotel Agalan in Marrakesch hatte am Tag der Abfahrt nach Oukaimeden
irgendwo ein zerknittertes Tagblatt aus Niederbayern gelegen, auf dessen
Titelseite ein heruntergekommener alter Mann abgebildet gewesen war, der sich
laut Überschrift im Gefängnis erhängt hatte. Sprach Dora von dem? War das Doras Vater?
War er jener
angeblich angesehene Bürger?
    Fanni
bot ihre ganze Konzentration auf, um Doras Gesicht zu betrachten. Und auf
einmal zeigte sich die Entsprechung. Das etwas eckige Profil, das bereits beim
Vorstellungsgespräch in Marrakesch in Fanni eine vage, jedoch so gar nicht
greifbare Erinnerung geweckt hatte, deckte sich mit dem jenes Mannes, den sie
mehrerer Verbrechen überführt hatte.
    »Dein
Vater hat gemordet und betrogen.« Fanni versuchte, einigermaßen artikuliert zu
sprechen. »Er hatte es mehr als verdient, eingesperrt zu werden.«
    »Hatte
er nicht!«, schrie Dora, krallte ihre Finger in Fannis Haare, zog deren Kopf
ganz nah an ihr Gesicht und zischte: »Und ich hatte es nicht verdient, von Freunden
und Bekannten geschnitten zu werden und das wunderschöne Haus zu verlieren, das
mein Vater uns geschenkt hatte.«
    Es
war mit Sicherheit ergaunert, hätte Fanni gern geantwortet.
    Doch
sie konnte nicht mehr reden. Sie konnte sich nicht einmal mehr bewegen.
    Abrupt
ließ Dora Fannis Haare los. Einen Augenblick später schlug Fannis Kopf auf dem
Boden auf.
    »Ich
habe euch belauscht«, zischte Dora, »wie ihr darüber gesprochen habt, du und er
da«, sie machte eine knappe Bewegung zu Sprudel hin, der regungslos auf der
Seite lag, »dass deine Tochter sein Haus bekommt.« Sie lachte bösartig. »Da
wird dein Gör wohl leer ausgehen. Der
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