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Eselsmilch

Eselsmilch

Titel: Eselsmilch
Autoren: J Mehler
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ich auch, dachte Fanni. Aber wird sich das Schicksal nach unseren Wünschen
richten?
    Plötzlich
sah sie, wie ein Licht auf sie zuschwankte. Kurz darauf hörte sie heftiges
Atmen, das den Lichtschein zu begleiten schien. Gleichzeitig bemerkte sie, wie
sich Sprudel anspannte.
    »Da
seid ihr ja, ich suche schon eine Weile nach euch.« Es war Doras Stimme,
hechelnd vom schnellen Laufen.
    Sprudels
Muskeln lockerten sich wieder.
    Dora
kam vor dem Steinwall zum Stehen. »Hassan hat Eselsmilch aufgetrieben. Und er
hat extra eines der Berberzelte, die man hier mieten kann, für uns herrichten
lassen. ›Wenn schon Eselsmilch, dann authentisch‹, hat er gesagt. Kommt mit,
die andern hocken schon drin.«
    Fanni
löste sich aus Sprudels Armen. Sie war zwar nicht besonders erpicht darauf,
Eselsmilch zu kosten, aber Dora würde wohl kaum ohne sie und Sprudel
zurückkehren wollen. Außerdem war es kühl geworden, wie sie erst jetzt
feststellte, als ihr Sprudels wärmende Arme fehlten. Von der Wüste her wehte
eine eiskalte Brise.
    Sie
gingen zusammen mit Dora den Weg entlang, der zurück zum Gästehaus führte, doch
statt dann der Umfassungsmauer zu folgen, gingen sie geradeaus weiter zu dem
muldenförmigen Terrain, auf dem die Zelte standen.
    Das
Zeltdorf lag noch ebenso dunkel und verlassen da wie zuvor – kein
Lichtschein, kein Geräusch. Erst als sie inmitten der runden Zelte standen, sah
Fanni an einem eine Lampe baumeln, die jedoch kaum einen halben Meter weit den
sandigen Boden um sich herum zu erhellen vermochte.
    Dora
schlug die Plane vor dem Eingang zurück und winkte sie hinein. Drinnen war es
bis auf einen Lichtschein in der Mitte duster, aber erstaunlich geräumig. In einer
Ecke konnte Fanni schemenhaft einen Haufen Kissen oder Decken erkennen, in
einer anderen zusammengerollte Teppiche.
    Wie
in dem Speisezelt, in dem sie auf der Tour ihre Mahlzeiten eingenommen hatten,
lag in der Mitte des Raumes eine Bastmatte, um die hier freilich bunte
Sitzkissen angeordnet waren. Auf der Matte standen ein Krug aus Keramik und
etliche der Gläser, in denen nach dem Abendessen der Thé à la menthe serviert
worden war.
    Fanni
sah Dora irritiert an.
    »Na
so was.« Dora breitete die Arme aus. »Alle ausgeflogen. Da haben sich wohl noch
ein paar mehr auf die Suche nach euch gemacht.« Sie warf einen kurzen Blick auf
die Gläser, von denen die meisten einen weißen Bodensatz aufwiesen. »Aber
vorher haben sie noch von der Eselsmilch probiert.«
    »Meinst
du wirklich, dass die ganze Gruppe nach uns sucht?«, fragte Fanni.
    Dora
lachte. »Hubert bestimmt nicht. Der gräbt vermutlich gerade in seinem Gepäck
nach der zweiten Flasche Obstler.« Sie ließ sich auf eins der Kissen fallen.
»Die kommen schon wieder zurück, so nach und nach.«
    Ein
wenig zögernd setzten sich Fanni und Sprudel ebenfalls.
    Dora
griff nach dem Krug und stellte drei unbenutzte Gläser nebeneinander. »Dann
kosten wir mal lieber von dem Wunderelixier, bevor Gisela hereinschneit und es
uns unter der Nase wegschnappt.«
    Dora
hatte die Gläser zu gut drei Fingerbreit gefüllt und betrachtete die weiße
Flüssigkeit darin aufmerksam. »Sieht aus wie ganz normale Milch.«
    Fanni
nahm einen Schluck, und Sprudel tat es ihr gleich.
    »Schmeckt
scheußlich«, sagte Fanni.
    Dora
nickte. »Ja, finde ich auch.« Sie schnupperte am Inhalt ihres Glases. »Riecht
auch komisch. Ich glaube, man muss sich erst daran gewöhnen.«
    Fanni
nickte und trank ihr Glas leer. »Wir sollten lieber nachsehen, wo die andern
sind.«
    »Wozu
denn?«, rief Dora. »Es ist ja ausgemacht, dass wir in dem Zelt hier noch ein
bisschen feiern. Hassan hat es doch extra für uns organisiert.«
    Sie
hob den Kopf und lauschte. »Ah, ich glaube, ich höre schon jemand kommen. Dann
wollen wir mal die Tür öffnen.« Sie sprang auf und machte sich an der Plane vor
dem Zelteingang zu schaffen.
    Fanni
stellte ihr leeres Glas neben das ebenfalls leere von Sprudel zurück auf die
Matte. Dabei fiel ihr Blick auf das Gläschen, in das Dora die Eselsmilch für
sich selbst eingeschenkt hatte.
    Da
hat sich der Pegel ja kein bisschen gesenkt!
    Nein,
die weiße Flüssigkeit stand noch immer drei Fingerbreit in dem Glas. Und auf
einmal begann sie zu schwingen. Sie wölbte sich nach oben und sackte wieder
zurück – hinauf, hinunter. Kurz darauf fing das Glas an zu kippen –
nach links, nach rechts, nach links.
    Fanni
kniff die Augen fest zu und öffnete sie wieder, kniff sie noch mal zu und
öffnete sie erneut.
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