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Es wird Dich rufen (German Edition)

Es wird Dich rufen (German Edition)

Titel: Es wird Dich rufen (German Edition)
Autoren: Simon Cross
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ein, ihm die Treppe hinab in die geheime Kammer zu folgen, in der die Reliquie aufbewahrt wurde.
    Die Stufen waren steil. Mike musste sich an einer Art Geländer festhalten. Auch für den alten Jean war der Abstieg beschwerlich.
    »Mussten die alten Propheten auch dieses grausame Ritual durchlaufen, um ihre Visionen zu bekommen?«, beschäftigte Mike dabei eine Frage, die sich ihm schon aufgedrängt hatte, als er den General bei seinem Handeln am Altar beobachtet hatte.
    »Eine Zeit lang war dies tatsächlich die einzige Möglichkeit, den Gral zu schauen. Doch es gibt immer zwei Wege, ein Ziel zu erreichen. Denken Sie an den Dualismus, von dem ich Ihnen erzählte.«
    »Dieses Ritual ist also nur eine Möglichkeit?«
    »Es ist die einzige Möglichkeit, die die Anhänger Luzifers kennen. Sie ist zwar nicht minder effektiv, aber doch in gewissem Sinne weniger göttlich und eher menschlich als der zweite, der eigentlich ursprüngliche Weg, die Dinge zu betrachten.«
    »Als menschlich würde ich es aber nicht bezeichnen, einen anderen umzubringen«, meinte Mike. »Eher grausam.«
    »Grausamkeit liegt doch viel zu oft in der menschlichen Natur. Überlegen Sie, wie viel Mitmenschlichkeit Machthaber zu allen Zeiten zu opfern bereit waren, um über andere zu herrschen. Sie würden mit dem reinen Weg, den Gral zu schauen, nichts anfangen können.«
    »Weshalb nicht? Es wäre doch viel praktischer, wenn …«
    »Dieses Ritual ist nicht der Weg derer, die den Gral finden, sondern derer, die den Gral suchen«, unterbrach ihn Jean. »Der Weg derer, die an Luzifer als den Lichtbringer glauben. Der Weg der irdischen Macht. Sie brauchen die Zacke aus der Krone Luzifers, die vor Jahrtausenden auf die Erde gefallen ist. Und sie benötigen die Heilige Lanze, die aus einem Teil dieses Materials geformt wurde. Nicht umsonst haben alle mächtigen Herrscher dieser Welt diese Lanze besessen und genutzt. Gral und Lanze: Beide waren und sind ein Bindeglied zwischen Himmel und Erde – aber es ist beileibe nicht das einzige.«
    Die Stufen hatten sie einige Meter hinab in einen weiteren Kuppelsaal geführt, der ebenfalls von zwölf Säulen getragen wurde. Sie waren aus reinstem Marmor gefertigt. Zwischen jeder einzelnen Säule entdeckte Mike Nischen, die wiederum mit unschätzbaren Kostbarkeiten gefüllt waren. Überall lagen Diamanten, Rubine, Juwelen und Gold in Hülle und Fülle, wohin er auch schaute. Es war ein Anblick, wie er sich ihm, selbst unterhalb Saunières Villa, noch nie geboten hatte.
    Schnell fiel sein Interesse jedoch auf einen steinernen Sockel in einem fast unscheinbaren Winkel des Raums, auf dem nur zwei lateinische Worte eingraviert waren, die dennoch genügten, bei Mike eine leichte Gänsehaut hervorzurufen: »Arca dia«.
    Der Sockel trug die Last eines quaderförmigen Gegenstands in der Art eines Sarkophags, der aus fünf massiven Goldplatten bestand: vier an der Seite, eine zur Abdeckung oben.
    »Das ist doch nicht etwa ...?«, wollte Mike Gewissheit.
    »Ja, das ist die Bundeslade«, sagte Jean ehrfürchtig.
    »Ich erinnere mich, wie wir uns im Museum darüber unterhielten.« »Sie haben damals nicht verstanden, welche Rolle die Lade spielt. Haben Sie es jetzt erkannt?«
    »Für das Ritual da oben war sie jedenfalls nicht vonnöten«, zuckte Mike mit den Schultern. »Aber ist sie wohl auch nicht einfach nur ein altes Relikt, das nicht weiter von Bedeutung ist?«
    »Au contraire!«, hob Jean den Zeigefinger. »Ganz im Gegenteil – sie ist der wahrhaftige Weg, den Gral zu schauen.«
    »Der zweite Weg …«, begriff Mike. »Gral und Lanze sind aus Luzifers Händen. Die Lade dagegen …«
    »Die Bundeslade«, unterbrach ihn Jean, »heißt es im Alten Testament, erhielt Moses am Berg Sinai aus den Händen Gottes. Auch sie ist also ein altes Instrument, die Barrieren der Zeit zu überwinden. Die wahren Propheten haben sie jahrhundertelang genutzt, bis sie eines Tages in Vergessenheit geriet, als König Nebukadnezar den Salomonischen Tempel ausraubte. Die Priester hatten die Lade zuvor in Sicherheit gebracht. Weil keiner von ihnen den Überfall überlebte, nahmen sie ihr Wissen mit ins Grab. Fast zwei Jahrtausende!«
    »Bis die Tempelritter die Lade wiederentdeckten«, verstand Mike. »Ein Glücksfall, denn nur so war es wieder möglich, die Zukunft zu schauen, ohne die Zeitlinien selbst zu beeinflussen. Dabei standen die Templer – wie auch die Druiden, die Merowinger, die Katharer und später auch das Geschlecht der
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