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Es war einmal eine Frau, die ihren Mann nicht sonderlich liebte

Es war einmal eine Frau, die ihren Mann nicht sonderlich liebte

Titel: Es war einmal eine Frau, die ihren Mann nicht sonderlich liebte
Autoren: Ljudmila Petruschewskaja
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mit einer Strickmaschine umzugehen, sie hatte keinerlei Verwandtschaft, und das von der guten Nachbarin waren nur schöne Worte, in Wirklichkeit hatte sie niemanden, auf den sie sich verlassen konnte, sie hatte sich die Suppe selbst eingebrockt, jetzt musste sie sie auch alleine auslöffeln. Solange die Tochter klein war, brachte Sina die fertige Arbeit ohne sie weg und holte sich ihren Lohn allein ab, sie ließ das schlafende Kind zu Hause, aber sobald das Mädchen weniger schlief und größer wurde, fingen die Sorgen an. Sina musste es mitnehmen. Raja jedoch beschäftigte sich stur mit ihren Schultergelenken, sie war deshalb sogar krankgeschrieben, doch sie zu bitten, auf das Kind aufzupassen, wagte Sina nicht. Raja indes begann mit den Vorbereitungen für den Kindsmord, und immer öfter fand Sina, wenn sie das tapsende Mädchen an beiden Händen über den Korridor führte, auf dem Küchenfußboden ein scheinbar mit Wasser gefülltes Glas, oder sie fand auf dem Küchenhocker den dampfenden Teekessel mit zur Seite geklapptem Henkel, doch Verdacht schöpfte Sina nicht. Jedenfalls zwitscherte sie fröhlich wie immer mit ihrem Mädchen und forderte es auf: »Sag Mama.« Aber wenn Sina jetzt in den Laden oder zur Arbeit ging, schloss sie das Kind ein, und das hatte Folgen. Raja wurde furchtbar böse. Einmal war Sina weggegangen, das Mädchen wachte hinter der verschlossenen Tür auf, offensichtlich war es aus dem Bett gefallen und weinend zur Tür gekrabbelt. Raja wusste, dass das Kind noch nicht richtig laufen konnte, dass es aus dem Bettchen gefallen war und sich sicher arg gestoßen hatte, weil es so schrecklich schrie, und dass es so nah an der Tür lag. Raja konnte dieses Geschrei nicht mehr ertragen, sie zog Gummihandschuhe über, holte aus dem Badezimmer das Natriumhydroxid, das sie dort versteckt hatte, streute es in einen Eimer mit Wasser und fing an, den Korridor zu wischen, wobei sie die Lösung unter die Tür schwappen ließ, hinter der das Mädchen lag. Das Geschrei ging in ein Wimmern über. Raja wischte den Korridor trocken, spülte alles aus – Eimer, Schrubber und Handschuhe –, zog sich um und ging in die Poliklinik.
    Anschließend ging sie ins Kino, dann durch die Geschäfte und kam erst am Abend nach Hause. Sinas Zimmer war dunkel und still. Raja sah fern und legte sich dann ins Bett, konnte aber nicht einschlafen. Sina kam die ganze Nacht und den ganzen nächsten Tag nicht nach Hause. Raja holte das Beil, brach die Tür auf und fand das Zimmer eingestaubt, auf dem Fußboden neben dem Bettchen war ein eingetrockneter Blutfleck, und eine breite Blutspur führte bis zur Tür. Von der Natriumhydroxidpfütze war nichts mehr zu sehen. Raja wischte ihrer Nachbarin den Fußboden, räumte auf und lebte von nun an in fieberhafter Erwartung. Nach einer Woche schließlich kam Sina nach Hause, sie sagte, sie habe das Mädchen beerdigt und habe jetzt eine Arbeit mit Vierundzwanzig-Stunden-Schicht, mehr sagte sie nicht. Die eingefallenen Augen und die gelbe, welke Haut sprachen für sich. Raja machte keine Anstalten, Sina zu trösten, jedes Leben in der Wohnung war erstorben. Raja saß einsam vor dem Fernseher, und Sina war für vierundzwanzig Stunden bei der Arbeit oder schlief sich aus. Sina war regelrecht durchgedreht, überall hängte sie Fotos von ihrer Tochter auf. Rajas Schmerzen wurden immer schlimmer, sie konnte die Arme nicht mehr heben und nicht mehr gehen, nicht einmal Spritzen in die Gelenke halfen. Die Ärzte stellten Arthrose fest. Es ging so weit, dass Raja sich nicht einmal mehr etwas kochen konnte oder auch nur den Wasserkessel aufsetzen. Wenn Sina zu Hause war, fütterte sie Raja, doch sie kam immer seltener, sie redete sich heraus, es wäre ihr zu anstrengend. Wegen der Schulterschmerzen konnte Raja nicht mehr schlafen. Als sie erfuhr, dass Sina Schwester in einer Art Krankenhaus war, bat Raja sie, ein starkes Schmerzmittel, Morphium zum Beispiel, zu besorgen. Sina sagte, das könnte sie nicht: »Auf so etwas lasse ich mich nicht ein.«
    Â»Dann muss ich eben mehr von diesen hier nehmen. Zählst du mir bitte dreißig Stück ab.«
    Â»Nein, niemals«, sagte Sina, »von meiner Hand stirbst du nicht.«
    Â»Aber die eigenen Hände kriege ich nicht hoch«, wandte Raja ein.
    Â»So billig kommst du mir nicht davon«, sagte Sina.
    Da streckte die Kranke
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