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Es war einmal eine Frau, die ihren Mann nicht sonderlich liebte

Es war einmal eine Frau, die ihren Mann nicht sonderlich liebte

Titel: Es war einmal eine Frau, die ihren Mann nicht sonderlich liebte
Autoren: Ljudmila Petruschewskaja
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standen an der Wohnungstür und horchten, dann kam noch der Vater des Mädchens, Nikolai, hinzu, schließlich trat noch Jelena, seine Frau, aus dem Badezimmer und fragte laut, was los sei, aber man bedeutete ihr zu schweigen.
    Doch es war kein Klingeln mehr auf der Treppe zu hören. Das heißt, der Fahrstuhl fuhr zwar hoch und runter, es stieg sogar jemand in ihrer Etage aus, doch dann rasselten Schlüssel und eine Tür wurde zugeschlagen. Das war nicht der Mann mit dem Hut. Der hätte geklingelt und nicht die Tür mit dem Schlüssel geöffnet.
    Nikolai schaltete den Fernseher an. Sie aßen Abendbrot, wobei Nikolai sehr viel aß, unter anderem auch Brot, und der Großvater konnte sich nicht beherrschen und rügte ihn: Abends soll man essen wie ein Bettler. Aber Jelena verteidigte ihren Mann, und das kleine Mädchen sagte: »Was schreit ihr so«, und das Leben nahm seinen Lauf.
    In der Nacht ging unten eine, dem Geklirr nach zu urteilen, sehr große Scheibe zu Bruch.
    Â»Das Schaufenster vom Brotladen«, sagte der Großvater, als er auf den Balkon trat. »Schnell, hamstern Sie, so viel Sie können, Nikolai.«
    Sie rüsteten Nikolai für seinen Beutegang aus, doch unterdessen war ein Milizauto vorgefahren, jemand wurde festgenommen, ein Milizionär aufgestellt, das Auto fuhr davon. Nikolai zog mit Rucksack und Messer los, dort unten hatte sich schon eine Menschenmenge angesammelt, die Leute umzingelten den Milizionär, drückten ihn nieder und kletterten durchs Schaufenster rein und raus, irgendjemand prügelte sich mit einer Frau und entriss ihr einen Koffer mit Brot, man hielt ihr den Mund zu und schleppte sie in den Laden. Immer mehr Leute versammelten sich. Schließlich kehrte Nikolai mit einem prall gefüllten Rucksack – dreißig Kilo Zwieback und zehn Laib Brot – zurück. Nikolai zog sich vollständig aus, warf seine Sachen in den Müllschlucker, dann rieb er sich im Korridor von Kopf bis Fuß mit Eau de Cologne ab, die Watte stopfte er in eine Plastiktüte und warf sie aus dem Fenster. Der Großvater, mit der Entwicklung der Ereignisse zufrieden, bemerkte nur, man müsse mit dem Eau de Cologne und allen Medikamenten sparsam umgehen. Dann schliefen sie ein. Am Morgen aß Nikolai zum Frühstück ganz allein ein halbes Kilo Zwieback und scherzte bei dieser Gelegenheit: »Morgens wie ein Kaiser.« Der Großvater hatte eine Zahnprothese und tauchte seinen Zwieback traurig in den Tee. Die Großmutter zog sich ganz zurück, und Jelena redete dem Mädchen fortwährend zu, mehr Zwieback zu essen. Die Großmutter hielt es schließlich nicht mehr aus und sagte, sie müssten sich etwas überlegen, sie könnten ja nicht jede Nacht stehlen gehen, den Brotladen hätte man schon vernagelt, er wäre völlig leer. Sie zählten ihre Vorräte und teilten alles in Rationen ein. Zum Mittagessen gab Jelena ihre Ration dem Mädchen, Nikolai wurde finster wie eine Wolke, und nach dem Mittagessen aß er alleine einen ganzen Laib Schwarzbrot auf. Die Lebensmittel würden für eine Woche reichen, dann war Schluss. Nikolai und Jelena riefen bei ihrer Arbeit an, aber weder hier noch dort nahm jemand den Hörer ab. Sie riefen bei Bekannten an, alle saßen zu Hause. Sie warteten. Das Fernsehen sendete nicht mehr, nur das Pausenzeichen ertönte. Am nächsten Tag war das Telefon tot. Unten auf der Straße streiften Passanten mit Rucksäcken und Taschen umher, jemand schleifte einen kleinen abgesägten Baum über den Bürgersteig. Es erhob sich die Frage, was tun mit der Katze – das Tier hatte den zweiten Tag nichts zu fressen bekommen, es saß auf dem Balkon und miaute entsetzlich.
    Â»Wir müssen sie reinlassen und füttern«, sagte der Großvater. »Eine Katze hat wertvolles frisches, vitaminreiches Fleisch.«
    Nikolai ließ die Katze rein, sie gaben ihr Suppe, nicht sehr viel, um sie nach der Hungerkur nicht zu überfüttern. Das Mädchen wich der Katze nicht von der Seite, die zwei Tage, als die Katze auf dem Balkon miaut hatte, wollte es immer zu ihr, jetzt aber fütterte es sie mit Vergnügen, sodass sogar die Mutter aufbrauste: »Du gibst ihr alles, was ich mir für dich vom Mund abspare.«
    Die Katze bekam also zu fressen, aber die Lebensmittel reichten nur noch fünf Tage. Alle warteten, dass irgendetwas geschehe, dass irgendjemand die
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