Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Es war einmal eine Frau, die ihren Mann nicht sonderlich liebte

Es war einmal eine Frau, die ihren Mann nicht sonderlich liebte

Titel: Es war einmal eine Frau, die ihren Mann nicht sonderlich liebte
Autoren: Ljudmila Petruschewskaja
Vom Netzwerk:
nichts, und was sollte sie auch auf dem Boden eines absolut finsteren Badezimmers sehen.
    Warum kam der junge Mann erst so spät? Er hatte in seinem Abschnitt sehr viele Wohnungen zu versorgen, vier riesige Häuser. Und zum zweiten Mal kam er erst spät am Abend des sechzehnten Tages in diesen Aufgang, drei Tage, nachdem das Mädchen verstummt war, vierundzwanzig Stunden nach Nikolais Ende, zwölf Stunden nach dem Tod von Jelenas Eltern und fünf Minuten nach Jelenas Tod.
    Die Katze allerdings miaute noch, wie in der berühmten Erzählung, wo ein Mann seine Frau umgebracht und in der Wand eingemauert hat, und als die Mordkommission erscheint, dringt ein Miauen aus der Wand, und alles ist klar, denn zusammen mit der Leiche hat der Mann auch den geliebten Kater seiner Frau dort eingemauert, und der lebt und ernährt sich von ihrem Fleisch.
    Die Katze miaute, und als der junge Mann diese einzige lebendige Stimme im ganzen Aufgang hörte, beschloss er, wenigstens um dieses eine Leben zu kämpfen. Er holte eine Eisenstange, sie lag blutverschmiert im Hof, und brach die Tür auf. Was sah er nun? Den wohlbekannten schwarzen Berg im Badezimmer, den schwarzen Berg im Durchgangszimmer, zwei schwarze Berge hinter der mit einem Stuhl zugesperrten Tür, dort schlüpfte auch die Katze heraus. Sie kletterte geschickt durch das Loch, das grob in die Zimmertür gehauen war, und von dort vernahm der junge Mann eine menschliche Stimme. Er zog den Stuhl auch von dieser Tür weg und trat ins Zimmer, das über und über mit Glas, Müll, Exkrementen, herausgerissenen Buchseiten, Mäusen ohne Köpfe, Flaschen und Stricken bedeckt war. Im Bettchen lag ein kleines Mädchen mit kahlem Schädel von leuchtend roter Farbe, genau wie bei dem jungen Mann, nur röter. Das Mädchen schaute den jungen Mann an, und auf dem Kopfkissen saß die Katze und blickte ihn ebenfalls aufmerksam an.

#
    Die neue Seele
    Man erkennt sie, aber nur, wenn man eine von ihnen ist. Es gibt Zeichen, die sich wiederholen. Nur ganz selten fallen sie jemandem auf. Auch ist es merkwürdig, dass, wenn jemand die Zeichen erkannt hat, er nichts begreift. Was mit ihm selbst passiert, versteht er nicht. Das Herz krampft sich zusammen und das ist alles. Das Auge wird von einer Träne getrübt, von einer überirdischen Trauer, aber eine Erinnerung kommt nicht hoch. Zwei verwandte Seelen gehen im Raum aneinander vorbei.
    Man nennt es auch Liebe auf den ersten Blick (dieser Blick begegnet der verwandten Seele möglicherweise nur ein einziges Mal und dann nie wieder).
    Momente des Erkennens – einer verwandten Seele oder eines bekannten Ortes, bekannter Worte und Situationen – fallen wie in einen finsteren Abgrund verbotener Erinnerungen. Ein doppeltes Zeichen – Licht aus einer bestimmten Richtung und ein von diesem Licht beleuchtetes Haus genügt, und der Mensch erkennt den Ort. Aber alles, was davor war, danach, warum der Ort und das Licht da sind, das Haus, der Wind – die vertriebene Seele kann es nicht deuten. Sie kann nicht in die vergangene Zeit zurück, in das andere Leben, sie muss das jetzige Leben leben, wie es auch sein mag, ohne das frühere Licht und Glück.
    Das Frühere, das Vergangene, ist uns lieb. Es ist von Trauer erleuchtet, von Liebe, dort ist zurückgeblieben, was man »Gefühl« nennt. Dann wird alles anders, das Leben vergeht ohne Glück, ohne Tränen.
    Aber das sind alles Präliminarien. Die eigentliche Geschichte besteht darin, dass es einen Mann in seine Heimatstadt trieb von einer Dienstreise. Er rannte, denn er lief Gefahr, das Flugzeug zu verpassen, also hielt er ein Taxi an, es raste los, wurde aber wegen überhöhter Geschwindigkeit von einer Polizeipatrouille gestoppt. Sie mussten Strafe zahlen, der Fahrer lief aufgeregt hin und her, die Zeit verstrich. Als der Mann zum Gate am Flughafen kam, war alles schon leer, vorbei.
    Warum er es so eilig hatte? Am nächsten Morgen sollte sein Sohn zur Armee eingezogen werden, ganz plötzlich, mitten aus dem Studium heraus. Das war dem Mann gerade erst mitgeteilt worden, erst am Abend zuvor hatte er zu Hause anrufen können, alles ist in Ordnung, morgen fliege ich ab. »Du kommst zu spät«, hatte die Frau geheult. Und der Mann war losgerast. Für zwei Jahre ging das geliebte, das einzige Kind, das nicht für so etwas geeignet war, nicht vorbereitet auf die Schwierigkeiten, die Grausamkeiten
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher