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Es sterben immer drei

Es sterben immer drei

Titel: Es sterben immer drei
Autoren: Rosemarie Bus
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zügig den Schneetunnel vor dem Brenner und fuhr so schnell in die große Kurve hoch zur Mautstelle, dass sie eine Zehntelsekunde befürchtete, von der Fahrbahn abzukommen. Aber dann fiel ihr ein, dass sie einen erstklassigen Wagen hatte, nicht den klapperigen Fiesta ihrer Mutter, und trat gleich noch stärker aufs Gaspedal. Die Sonne schien, die Fahrbahn war trocken, die Laster quälten sich brav rechts ab, was konnte also passieren. Man musste das Rasen genießen, solange man noch durfte.
    Stella überlegte, was ihre beiden toten Freundinnen unterschied, aber es fielen ihr nur Gemeinsamkeiten ein. Beide waren sie unterhaltsam und leicht verrückt. Wobei Valerie und Mechthild sich gegenseitig als hysterische, dumme Kühe bezeichnet hatten und nie verstanden, warum Stella sich mit der anderen überhaupt abgab. Sie verteidigte dann tapfer ihre Überzeugung, dass Freundschaften ähnlich funktionierten wie Liebe. Man konnte auch Männer anbeten, bei deren Anblick andere Frauen sich verächtlich auf dem Absatz umdrehten und die Flucht ergriffen.
    Sie hatte beide gleichzeitig kennengelernt, vor etwa zehn Jahren. Mechthild als Chefredakteurin der Frauenzeitschrift, bei der Valerie schon ein paar Monate als Redakteurin arbeitete, als Stella dazustieß. Zwei 25-jährige Anfängerinnen, die sich ein Zimmer teilen mussten. In gemeinsamer Klausur mit Blick auf das benachbarte Bürogebäude gab es nur zwei Möglichkeiten. Sich arrangieren oder sich hassen. Stella, die viel zu konfliktscheu war, um sich auf die unbequemere Lösung einzulassen, ertrug mit endloser Nervenkraft Valeries private Telefongespräche und tat irgendwann auch nicht mehr so, als würde sie nicht zuhören, sondern schaltete sich ungeniert mit guten Ratschlägen ein. Valerie störte das nicht im Geringsten. Sie genoss es, ihr hochinteressantes Privatleben vor fremden Zuhörern auszubreiten. Besonders, wenn es um intime Details ging. Eine verbale Exhibitionistin, deren Unterhaltungswert Stella zu schätzenwusste. Wahrscheinlich, weil ihr eigenes beschauliches Sich-treiben-Lassen im Leben mit Valeries aufgeregtem Rumgeschwirre nicht mithalten konnte. Stella spielte keine Sadomasospielchen mit häufig wechselnden Männern, besaß auch kein eigenes Pferd und schon gar nicht die Sympathie eines verständnisvollen Bankangestellten, der sich mit Tränen, falschen Versprechungen und dem Adelstitel der Kontoinhaberin auch beim Anblick tiefroter Zahlen auf angeblich ausstehende Überweisungen vertrösten ließ. Nur Steuerbeamte blieben unbeeindruckt von Valerie, obwohl sie manchmal im Festnetz und an zwei Handys gleichzeitig versuchte, drohende Pfändungen abzuwenden. Anfangs lieh sie sich hier mal einen Zehner, da mal einen »Fuffi« von Stella, vergaß aber immer, das Geld zurückzuzahlen. Bis Stella einmal mithörte, um welche Summen es in den Verhandlungen mit dem Finanzamt ging. Um Tausende von Euros aus väterlichen Apanagen, die sie rauswarf wie sie reinkamen. Für Designerklamotten, englisches Pferdefutter und asiatisches Sexspielzeug. Valeries geerbter Kreditrahmen war immer noch wesentlich höher als der, den sich Stella je erarbeiten würde. Von da an hob sie immer bedauernd die Schultern, wenn Valerie sich Geld von ihr leihen wollte, und speiste sie mit ihrer Dauerausrede ab. Leider die Geldbörse vergessen. Flüssig zu lügen, ohne schlechtes Gewissen, das hatte Stella von Valerie gelernt. Als Fundament einer Frauenfreundschaft nicht wirklich solide.
    Ihre Rollen waren klar verteilt. Valerie übernahm das Reden, Stella das Zuhören. Ab und zu durfte sie dann eine Meinung äußern, die in der Regel mit Wohlwollen aufgenommen und dann gänzlich ignoriert wurde. Stella war es recht. Sie scheute immer davor zurück, Valerie zu tief in ihr Innerstes blicken zu lassen. Am liebsten überhaupt nicht. Auf diese Art und Weise waren sie eine Zeitlang gut miteinander ausgekommen, obwohl Stella sich ab und zu beschämend langweilig vorkam.
    Sie ging runter vom Gas. Die Mautstelle kam in Sicht, und sie musste sich für einen Schalter mit möglichst kurzer Schlangeentscheiden. Irma, als perfekt organisierte Beifahrerin, hielt schon den 10-Euro-Schein bereit. Mit Müttern ist es nach der Pubertät genauso wie mit Freundinnen, dachte Stella, entweder du akzeptierst sie, wie sie sind, oder du gibst dich nicht länger mit ihnen ab.
    »Wie wäre es mit einem Espresso oben am Brenner?«, fragte Irma und drückte den Knopf für das Fahrerfenster, um ihre Tochter mit etwas
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